La nouvelle femme
Léa Todorov, Frankreich, Italien, 2024o
Paris 1900: Die berühmte Kurtisane Lili d'Alengy verbirgt ein schändliches Geheimnis – ihre Tochter Tina, die mit einer Behinderung geboren wurde. Da sie nicht gewillt ist, sich um ein Kind zu kümmern, das ihre Karriere gefährdet, beschliesst sie, Paris zu verlassen und nach Rom zu gehen. Dort lernt sie Maria Montessori kennen, eine hingebungsvolle Ärztin, die eine revolutionäre Lernmethode für Kinder entwickelt.
Maria Montessori (1870-1952) war eine der ersten Italienerinnen, die ein Medizinstudium absolvierte. Berühmt ist sie bis heute jedoch als eine der ersten Vertreterin einer Pädagogik, die nicht auf starre Disziplin, sondern auf die Entwicklung der individuellen Neigungen und Fähigkeiten der Kinder in einem offenen Unterricht setzte. Im Biopic von Léa Todorov, das auf intensiver Recherche basiert, aber auch die fiktive Figur einer Pariser Kurtisane einführt, die ihr behindertes Kind in die Klinik von Montessori bringt, geht es vor allem auch um den Kampf der Frauen um Selbstbestimmung und Anerkennung im ausgehenden 19. Jahrhundert – und das sehr glaubhaft, ohne der Hauptfigur feministische Positionen aus heutiger Sicht aufzuzwingen. Stark sind auch mehrere Szenen, die mit körperlich oder geistig beeinträchtigten Kindern gedreht wurden, darunter eine wunderbare minutenlange, in der die Kinder eine live gespielte Klaviermusik interpretieren oder die Musik ihren gestischen Vorgaben folgt. Ein sehenswerter, auch formal überzeugender Film, der sich von romantischen Verklärungen oder billiger Gefühlsduselei weitgehend fernhält.
Till Brockmann