Tully
Jason Reitman, USA, 2018o
Marlo (Charlize Theron) ist nach der Geburt ihres dritten Kindes mit den Nerven am Ende. Die Rettung naht in Gestalt von Tully (Mackenzie Davies), einer «Nachtbabysitterin», dank der sie wieder durchschlafen kann; und die bald auch zu einer engen Freundin wird.
Zuerst scheinen die Fronten klar verteilt: Die Mutter, die von der familiären Routine erstickt wird, auf der einen, die unbeschwert in den Tag hinein lebende Tully auf der anderen Seite. Aber Jason Reitman und seiner Drehbuchautorin Diablo Cody («Juno») gelingt es, das Verhältnis der beiden Figuren geschickt in der Schwebe zu belassen und der Frauenfreundschaft immer neue Facetten abzugewinnen.
Lukas FoersterWie hart, milchbefleckt und unglamourös Mutterschaft sein kann, sieht man in Hollywood nie? Doch, hier schon. Charlize Theron scheut als Dreifach-Mom mit Neugeborenem weder Augen- noch Hüftspeckringe. Dagegen steht die Sexyness von Tully (Mackenzie Davis), ihrer neuen Nanny. Diese wirkt zu perfekt, um wahr zu sein, also verdächtig! Wer aber einen billigen Psycho- Zickenkrieg erwartet, liegt daneben. Diablo Cody hat einmal mehr einen verrückten Trip ins Herz der Weiblichkeit geschrieben, inszeniert von ihrem genialen Regiepartner Jason Reitman.
Tobias KniebeDer Film «Tully» erzählt die Geschichte einer überforderten Mutter. Hilfe bekommt sie von einer Babysitterin.
Marlo (Charlize Theron) ist nach der Geburt ihres dritten Kindes mit den Nerven am Ende, der phlegmatische Ehemann (Mark Duplass) ist keine Hilfe. Die Rettung naht in Gestalt von Tully (Mackenzie Davies), einer «Nachtbabysitterin». Die kommt zwar nicht vom Himmel geschwebt, aber trotzdem sind die literarischen Wurzeln der Figur unübersehbar: Jason Reitmans neuer Film – der wie schon «Juno» auf einem Drehbuch von Diablo Cody basiert – ist ein Update der Mary-Poppins-Erzählung.
Was auch heisst: Es geht nicht um Realismus, sondern um eine Wunscherfüllungsfantasie. Von Anfang an ist klar, dass das den Nachtschlaf raubende Neugeborene bei weitem nicht Marlos einziges Problem ist. Die dreifache Mutter hat zwar ein gesundes Selbstbewusstsein und hält mit ihrer Meinung in keiner Lebenslage hinterm Berg; sie hat aber trotzdem Angst davor, dass ihr von ehelicher und familiärer Routine geprägtes Leben in eine Sackgasse geraten sein könnte. Tully ermöglicht es ihr denn auch nicht nur, endlich wieder durchzuschlafen. Die hoffnungsvoll und unbeschwert in den Tag hinein lebende junge Frau scheint ihr auch einen Ausweg aus der bürgerlichen Einöde zu eröffnen.
Schnell entwickelt sich zwischen den beiden Frauen eine enge Freundschaft, die auf Marlos gesamte Existenz übergreift. In der Darstellung dieser Beziehung stösst «Tully» zu einer emotionalen Komplexität vor, die im heutigen Kino selten geworden ist. Das Verhältnis der beiden Hauptfiguren zueinander bleibt – zumindest bis zu einer etwas fragwürdigen Wendung gegen Ende – auf faszinierende Weise in der Schwebe, wird von Szene zu Szene neu ausgehandelt.
Galerieo









