Amy
Asif Kapadia, GB, 2015o
Mit ihrem musikalischen Talent und ihrer unbekümmerten Art zog die Londonerin Amy Winehouse in den 2000er Jahren die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich. Als authentische Jazz- und Soulkünstlerin exponierte sie sich in ihren Songs mit ihren Obsessionen, doch ihre Sucht nach toxischen Beziehungen und Substanzen und die Dauerbelagerung durch die Medien brachten ihre fulminante Karriere früh aus dem Takt. Mit den Worten von Amy Winehouse und allen wichtigen Leuten aus ihrem Umfeld sowie zuvor unveröffentlichtem Bildmaterial erzählt dieser oscarprämierter Dokumentarfilm die Geschichte der früh verstorbenen Singer-Songwriterin.
Das aktuelle Biopic Back to Black bringt eine gewisse Logik in das kurze chaotische Leben der Amy Winehouse. Der bereits 2015 entstandene Dokumentarfilm-Klassiker Amy zeigt, dass Alles noch verrückter, destruktiver und herzzerreissender war. Warum? Weil noch eindringlicher hervortritt, dass Winehouse als Sängerin und Person eine Ausnahmeerscheinung war, die gleich doppelt auf die schiefe Bahn geriet. Im Privaten die fatale Gier nach der Liebe zweier Männer, Vater und Boyfriend/Ehemann, die dazu nicht fähig waren und schamlos von Amys Erfolg profitierten. Im Beruflichen die Umpolung der geborenen Jazzsängerin zur lukrativen Soul-Hitmaschine, die bis aufs Letzte ausgepresst wurde. Amy Winehouse’ Landsmann Asif Kapadia, der 2019 auch die ähnlich erfolgreiche Doku Diego Maradona drehte, beschreibt diese Entwicklung streng chronologisch und verwendet dabei ausschliesslich vorliegendes Material, von zahllosen Handyvideos bis zu Fernsehaufnahmen, die er mit den Stimmen fast aller wichtigen Figuren aus Amys Umfeld unterlegt. Das stroboskopische Verfahren wirkt anfänglich anstrengend, entwickelt aber schnell erzählerischen Zug. Besonders frappieren die frühe Abrichtung des starrköpfigen Teenagers mit Alkohol und Antidepressiva zur Sucht und das gleichzeitig aufblühende musikalische Talent, dann die Unbelehrbarkeit durch psychischen Missbrauch und physische Zusammenbrüche, schliesslich die Unerbittlichkeit der Unterhaltungsindustrie, die noch aus dem Wrack Winehouse bedenkenlos Kapital schlug. Ganz am Schluss dann aber wieder diese Stimme voller Lebenslust und Schmerz: ein Nachhall für die Ewigkeit, prämiert mit dem Oscar und dem Felix für den besten Dokumentarfilm.
Andreas FurlerDer Film ist herausragend. Intim und überwältigend traurig. Die Collage aus viel privatem Filmmaterial zeigt fast ausschliesslich Amy, Kommentare von Ex-Mann, Vater, Manager oder Freundinnen hört man aus dem Off. Es ist bestürzend, zu sehen, wie die gierige Industrie und Boulevardmedien diese talentierte, fragile Frau ausgenützt und letztlich zerstört haben.
Denise Bucher