The Wolf of Wall Street
Martin Scorsese, USA, 2013o
Der blutjunge Wall-Street-Aktienhändler Jordan Belfort gründet mit Freunden eine eigene Firma, die den Leuten Schrottpapiere andreht. Sie wird zum Riesenerfolg. Die neureichen Jungs geniessen ihr ausschweifendes Luxusleben in vollen Zügen und fühlt sich unbesiegbar. Ihre unstillbare Gier bringt sie zu immer waghalsigeren Geschäften, während der Dauerkonsum von Drogen und Sex ihren Verstand zunehmend benebelt und ihnen das FBI auf die Pelle rückt. – Nach den Memoiren von Jordan Belfort.
Irgendwann wird die Welt rückblickend erkennen, dass Martin Scoreese einer der grossen Moralisten seiner Zeit war. Doch keiner, der mahnend den Zeigefinger hob, sondern einer, der sich bedingungslos hineinstürzte in den Strudel von Genuss- und Habsucht, Wahn und Gewalt, der als der amerikanische Traum bekannt ist. Praktisch alle Scorsese-Filme handeln von dieser schlingernden Achterbahn des Erfolgs und dem Preis des Selbstverlustes, den ihre Passagiere zahlen. The Wolf of Wall Street zeigt den katholisch-barocken Kinomagier Scorsese auf der Höhe seines Könnens. Fast drei Stunden lang zieht er alle Register und taucht mit unerschöpflicher Lust an der Ausschweifung und ihrer liebevollen Verspottung ein in diese Comédie humaine der Gier und der Dummheit. Er weiss, dass er selbst Teil dieser grossen Tragikomödie ist und geisselt sie so scharf wie nachsichtig. Das macht ihn so unwiderstehlich.
Andreas FurlerMartin Scorsese («The Departed») hat die Biografie des Brokers als dreistündiges Zechgelage verfilmt. In den Nebenrollen sind zu sehen: Kokain, Quaaludes, Xanax, Morphin. 506-mal wird in dem Film «fuck» gesagt, ein Weltrekord. Dazu gibt es Sexorgien im Trading Room. Verglichen mit DiCaprios «Wolf» ist Gordon Gekko ein Kuscheltier. Aber: DiCaprio spielt den Halsabschneider in Armani fast zu cool. Deshalb stören sich manche Leute daran, dass ein Film über die Bluthunde von der Wallstreet so viel Spass macht.
Andreas ScheinerDarf man das? Eigentlich nicht. Macht es trotzdem Spaß? Tja: The Wolf of Wall Street setzt Mimesis an die Stelle der Moral. Der Anlagebetrüger Jordan Belfort hat es in den Neunzigern ziemlich krachen lassen, kam kurz ins Gefängnis und schrieb dann ein Buch; Martin Scorsese macht daraus einen drei Stunden kurzen Rave mit Leonardo DiCaprio, der fast dankbar wirkt, als das FBI zum Chill-out bittet.
Peter Richter