The Visit
M. Night Shyamalan, USA, 2015o
Rebecca und Tyler verbingen das erste Mal eine schöne Woche bei ihren Großeltern. Lediglich die strenge Vorgabe des Großvaters, das Zimmer nach 21.30 Uhr nicht mehr zu verlassen, lässt die beiden Kinder etwas stutzig werden. Schon wenig später müssen sie feststellen, dass die Regel nicht ohne Grund existiert.(Pressetext Verleih)
Man fragt sich, ob «The Visit» eine Komödie, ein Horrorfilm oder eine Parodie auf denselben sei. Die überzeichneten Figuren und die Zuverlässigkeit, mit der Shyamalan die Klischees des Horrorfilms durchexerziert -- sogar ein Bettlakengespenst gibt es --, lassen Letzteres vermuten. So sitzt man die Schockmomente zunehmend ungeduldig und immer weniger schockiert aus und wartet, bis endlich das Finale und mit ihm die Wende kommt, die kommen muss.
Denise BucherDeine Großeltern, die unbekannten Wesen. Ein Junge und ein Mädchen werden in ein Farmhaus zu Oma und Opa geschickt. Sie wollen aus dem Clash der Generationen ein home movie machen. Klassisches Märchenpersonal, die ganze Familie tendiert zu enervierender Dysfunktionalität. Die Alten ganz besonders. M. Night Shyamalan macht das, was er schon immer am besten konnte, er demonstriert bewegend seine Sympathie für die Monster, die Wesen jenseits der Normalitäten.
Fritz GöttlerM. Night Shyamalan wagt sich mit «The Visit» auf ästhetisch neues Gebiet: Die Handkamera von Teenagerin Becca gibt die Perspektive des Films vor. Die halbwüchsige Cineastin möchte so den ersten Besuch mit Bruder Tyler, einem Möchtegern-Rapper, bei den Grosseltern dokumentieren. Ihre Mutter verliess ihr Elternhaus einst Hals über Kopf im Streit, und bald beginnen Oma und Opa, sich auch gegenüber den Enkeln sonderbar zu benehmen. Mühelos fliessen der Witz über präpotentes Teenagertum, der empathische und doch verwunderte Blick auf den Horror des Älterwerdens mit Referenzen auf die Filmgeschichte und klassischen Schockmomenten ineinander. Ist Oma ein Monster, oder frisst das Monster Demenz an ihr? Am Ende betritt Shyamalan, einst der Grossmeister des überraschenden Twists, einen banalen Ausweg aus dieser schaurig-vertrackten Konstellation.
sla.Galerieo
«Sixth-Sense»-Regisseur M. Night Shyamalan über seinen neuen Film und bösartige Grosseltern.
M. Night Shyamalan, haben Sie böse Grosseltern?
Nein, nein. Ich wollte einfach schon lange eine Geschichte erzählen, in der zwei Kinder auf eine abgelegene Farm fahren, um die Grosseltern zu besuchen. Das sind eigentlich die liebsten Menschen der Welt, benehmen sich aber plötzlich seltsam.
Seltsam ist untertrieben...
...ja, Sie denken wohl an die Szene, in der das Mädchen in den Ofen kriechen muss? Mir gefallen solche Anspielungen, in diesem Fall an die Märchen der Gebrüder Grimm. Das finde ich lustig.
Ich denke auch an Messer und nächtliche Verfolgungsjagden.
«The Visit» ist eindeutig mein furchteinflössendster Horrorfilm. Aber auch mein lustigster. Ich wusste allerdings lange nicht, wie ich diese Geschichte erzählen wollte. Bis ich auf die Idee kam, mich in ein vierzehnjähriges Mädchen zu verwandeln.
Der Film wird aus Mädchen-Perspektive erzählt.
Genau. Sie filmt. Und ihr kleiner Bruder filmt auch. Als ich diesen Kniff raus hatte, wurde es ganz einfach zum Schreiben. Ich musste nur nach dem Kind in mir suchen.
War der falsche Dokumentarfilm genau vorgeplant?
O ja. Keine Einstellung ist Zufall. Jedes Wort, jede Kameraperspektive wurde vorher getestet und festgeschrieben. Man muss genau planen, damit die Einstellungen spontan aussehen.
Der Film entstand mit kleinem Budget und ohne grosse Stars. Ein Neustart für Sie?
Die Geschichte hat das diktiert. Sie schrie geradezu nach unbekannten Darstellern. Und alles spielt sowieso an einem einzigen Schauplatz, dafür braucht es kein grosses Budget. Aber ein bewusstes Statement war es nicht.
Also auch keine Reaktion auf die bösen Kritiken zu ihren letzten grossen Filmen...
...wenn ich auf die Kritiker hören würde, könnte ich schon lange aufhören. Mir gefiel es einfach, die Dinge ein wenig bescheidener zu halten. Ich habe übrigens einen weiteren kleinen Film geschrieben, den ich im Herbst drehen will.
Da soll immerhin wieder Joaquin Phoenix mitspielen.
Ich hoffe es. Unterschrieben ist nichts. Aber auch das würde noch keine horrenden Budgetkosten verursachen. (lacht)
War es schwierig, in «The Visit» das Gleichgewicht zwischen Lachen und Horror zu halten?
Die erste Version war 35 Minuten länger. Dann haben wir reduziert und reduziert. Dabei war die Balance tatsächlich das Schwierigste. Manchmal war der Film zu lustig und nicht genug furchteinflössend. Dann wiederum verbreitete er Angst und Schrecken, der Humor wurde darin aber zum Fremdkörper.
Jetzt stimmt es.
Danke. Der Film macht, wenn ich das sagen darf, auch mir Spass. Und hat trotzdem etwas zu sagen über kaputte Familienbeziehungen. In dieser Hinsicht nehme ich diesen Besuch sehr ernst.
Lustig ist, wie der Knabe Namen von Popsängerinnen aufzählt, statt zu fluchen.
Ich weiss noch genau, wie mir das einfiel. Ich sass am Steuer und hörte einen Sender mit lauter Sängerinnen. Da dachte ich, es wäre doch amüsant, wenn er anstelle der normalen Flüche einfach rufen würde: Rihanna, Beyoncé, Lady Gaga.
Was würden Sie rufen, wenn Sie so fluchen müssten?
Hm. Vermutlich Sting. Ja, das würde mir gefallen.
Sting ist aber keine Sängerin.
Nein. Mein Filmjunge flucht mit Frauen. Ich aber würde rufen: Sting, Sting, Sting.
Normalerweise treten Sie selber in Ihren Filmen als Schauspieler auf. Habe ich Sie verpasst?
Nein, ich wollte den Freund der Mutter spielen. Aber im ursprünglichen Drehbuch kam der in der allerletzten Szene des Films zurück und hatte einen grossen Auftritt.
Das wollten Sie nicht?
Ich wollte das Publikum nicht verwirren, weil dann vielleicht alle schreien würden: «Ah, da ist ja Shyamalan selber.» So würden sie vielleicht das Ende verpassen. Aber schliesslich habe ich diese Szene gar nicht reingeschnitten, sie war zu viel. Ich hätte also den Freund doch spielen können. Selber schuld.