En fanfare
Emmanuel Courcol, Frankreich, 2024o
Der erfolgreiche Dirigent Thibaut erfährt, dass er adoptiert ist und in Nordfrankreich einen Bruder hat, der Kantinenkoch ist und in einer Blaskapelle in Posaune spielt. Scheinbar trennt sie alles ausser der Liebe zur Musik. Als Thibaut die musikalischen Fähigkeiten seines Bruders entdeckt, macht er es sich zur Aufgabe, die Ungerechtigkeit des Schicksals auszugleichen.
Als der Pariser Stardirigent Tihbault (Benjamin Lavernhe) an Leukämie erkrankt und einen genetisch verwandten Knochenmark-Spender braucht, erfährt er, dass er ein Adoptivkind ist und in verarmten industriellen Nordfrankreich einen Bruder namens Jimmy hat, der seinerseits Kantinenkoch und Posaunist in einer Blaskappelle ist. Die erste Begegnung geht gründlich schief, denn das Raubein Jimmy ist eine verletzte Seele, dies umso mehr, als ihm der Startvorteil seines Bruders Thibault im Leben bewusst wird. Letzterer entdeckt dafür, dass Jimmy das gleiche musikalische Talent hat wie er, und beschliesst, ihn und seine Freizeitkapelle bei einem Wettstreit zu coachen. Sie ahnen, wies weitergeht? Eben nicht, das ist die eine grosse Stärke dieser Tragikomödie über ungleiche Lebenschancen: Wohl legt sich der dankbare Thibault nach der Transplantation für den Bruder und dessen Band ins Zeug, doch statt einer klischeehaften Erfolgs-Dramaturgie nach dem Motto «Man muss nur an sich glauben», erwächst daraus das warmherzige Porträt französischer Arbeiterverhältnisse sowie der unverhofften Bruderschaft mit ihren Ups und Downs. Die andere Stärke: Wie Pierre Lottin Jimmys Verletzlichkeit hinter einer schroffen Fassade aufscheinen lässt und seine Figur zum heimlichen Zentrums des Films macht. Da dem Koch die unverhoffte Traumkarriere als Musiker versagt bleibt, gerät der Regisseur im letzten Akt zwar zeitweilig in Verlegenheit, wie er dennoch zu einem versöhnlichen Ende findet. Doch die kleine Schwäche im Detail schmälert die Freude über das geglückte Ganze kaum. In den Schweizer Kinos kam En fanfare ohne grosse Namen und Werbebudget auf 70'000 Eintritte. Das spricht für sich.
Andreas Furler