Greina
Patrick Thurston, Schweiz, 2024o
Dei Greina verbindet Graubünden mit dem Tessin. Der Architekt und Künstler Bryan Cyril Thurston setzte sich während zwanzig Jahren mit seiner Kunst gegen einen Stausee in dieser grossartigen Hochebene ein. Damals kam sein Spruch «nur die Poesie kann die Greina retten» seinem Sohn ziemlich abstrus vor. Doch genau darin findet dieser heute eine unerwartete Kraft.
Die Greina ist eine unberührte Hochebene auf der Grenze vom Bündnerland zum Tessin. Bereits 1959 wurde der Bau eines Staudamms bewilligt, der zu ihrer Überflutung geführt und den umliegenden Berggemeinden dringend nötige Einnahmen beschert hätte. Doch in den Dörfern, dann auch im Kanton und im Bund regte sich Widerstand. Zu den Wortführern zählte ab den siebziger Jahren der britisch-stämmige Architekt und Künstler Bryan Thurston, der die Greina in unzähligen Skizzen und kraftvollen Kupferdruck-Grafiken festhielt. Der Dokumentarfilm Greina ist zugleich Landschafts- und Künstlerporträt – und wird beiden Anliegen fesselnd gerecht. Anfänglich vorsichtig, fast tapsig anmutend, nähert sich Bryans Sohn Patrick seinem Vater, lässt sich in der Nationalbibliothek einige der 4000 dort lagernden «Thurstons» zeigen, besucht den gebeugten, aber immer noch scharfzüngigen 90-jährigen in seinem Atelier und spürt sich in seine Werke ein. Plastisch greifbar wird die Wucht dieser dem Kupfer abgerungenen Landschaftsbilder, ebenso ihre Feinheiten, ihre Materialität – bisweilen glaubt man sich fast in einem 3D-Film. Im zweiten Teil verlagert sich der Fokus mit der gleichen Sensibilität auf die Landschaft selbst. Zu subtilen, stimmigen Klängen von Fred Frith erfasst die Kamera, wie die Berge der Natur hier eine mächtig-harmonische Arena schufen, wie sich Moos und Flechten die Felsen hochkämpfen und wie sich die Greina im Winter dem Zugriff majestätisch entzieht. Grössen wie der Architekt Gion Caminada oder die damalige Bundesrätin Ruth Dreyfuss rollen spitzbübisch die politische Geschichte der Greina und des «Landschaftsrappens» auf, der die Interessen der Bergdörfer und des Naturschutzes schliesslich unter einen Hut brachte. Zwischen all dem, versteht sich, blitzen vielfach Bryan Thurstons hellwacher Geist, sein Schalk und seine Lust am Widerspruch auf. Er will kein Aufheben um sich machen und weiss zugleich um seine Könnerschaft. Recht so, well done!
Andreas Furler