Der Buchspazierer
The Chau Ngo, 2024o
Tag für Tag steht Carl Kollhoff im hinteren Teil eines Buchladens, wo er mit äusserster Sorgfalt Bücher einwickelt, um sie sie treuen Kunden in der Stadt zu bringen. Eines Tages schliesst sich ihm die neunjährige Schascha an, die neu in der Stadt ist. Schnell gewinnt das Mädchen die Herzen Carls und seiner Stammkundschaft und wirbelt das Leben aller gehörig durcheinander –besonders jenes von Carl.
Eineinhalb Stunden Auszeit von der Wirklichkeit mit ihren grauen Städten, komplizierten Mitmenschen und komplexen Problemen gefällig? Dann ist die Verfilmung des Bestsellers Der Buchspazierer von Carsten Sebastian Henn genau das Richtige für Sie. Sie spielt in einer putzigen deutschen Kleinstadt voller Fussgängerzonen und Blumentröge, in der draussen wie drinnen praktisch immer die Sonne scheint. Die Menschen sind hier – bis auf die obligate Bösewichtin – nicht nervig, sondern schrullig, grundsätzlich liebenswert und – damit sich von 9 bis 99 niemand im Publikum überfordert fühlt – auf je eine bis zwei leicht fassbare Charakterzüge reduziert. In dieser nostalgisch verbrämten Märchenwelt liefert ein alternder Buchhändler, der gerade von einer seelenlosen Kette übernommen wurde, seine sorgsam verpackten Preziosen noch persönlich an seine Kundschaft aus und würde bald vollends ausrangiert, schlösse sich ihm auf seinen Gängen nicht ein aufgewecktes Schulmädchen an, das den Gang der Dinge nicht hinnimmt. Die Krise, die die beiden durchleben, bis sich die gesammelten Aussenseiter der Stadt zusammenraufen und auf ihre Stärken besinnen, ist so künstlich wie das gesamte Setting, doch gegen die Botschaft lässt sich nichts einwenden: Solidarität ist am Ende nicht anderes als eine höchst taugliche Notgemeinschaft von Sonderlingen. Und Sonderlinge sind wir der einen oder andern Hinsicht ja alle.
Andreas Furler