Riget
Dänemark, 1994-1997, 2 Staffelno
Im königlichen Krankenhaus von Kopenhagen passieren merkwürdige Dinge. Die hypochondrische Dauerpatientin Frau Drusse führt spiritistische Sitzungen durch, der schwedische Oberarzt und Dänenhasser Helmer vertuscht eine verpfuschte Operation, der Chefpathologe kapert kranke Lebern, der Chefarzt verordnet der Belegschaft die "Operation Morgenluft", die unteren Chargen wetten auf einen Krankenwagen, der als allnächtlicher Geisterfahrer wiederkehrt. Zudem melden sich im Liftschacht und aus dem sumpfigen Untergrund des Spitals Geister aus grauer Vorzeit.
Bis in die 1990er Jahren wurden Fernsehserien fast ausschliesslich als Aneinanderreihung in sich geschlossener Episoden erzählt. Verpasste man eine Folge, spielte das keine Rolle, hatte eine Serie Erfolg, liess sie sich beliebig verlängern. Der Preis dieser Rezeptur war, dass komplexe Erzählungen kaum möglich waren und Serien als filmische Groschenromane galten. Mit der Mystery-Serie Twin Peaks brach David Lynch 1990 - nicht ganz als Erster - mit der eiserenen Genre-Regel und entspann eine fortlaufende Thriller-Handlung, die sich romanhaft über dreissig Episoden bzw. 25 Stunden zog. Lars von Trier folgte Lynch 1994 auf dem Fuss mit seiner neunstündigen Spitalserie Riget/The Kingdom, deren zweiter Teil 1997 herauskam. Dabei ging von Trier noch einen Schritt weiter und legte die fortlaufende Erzählung auch als wilden Mix von schwarzer Komödie, Okkult-Thriller und Horrorfilm an. Handfester Realismus, irre Komik und Gruseliges mischen sich zur aberwitzigen Erzählung über das königliche Spital von Kopenhagen, in dem der Obskurantismus ein Rückzugsgefecht gegen die angeblich rationalistischen neuen Götter in weissen Kitteln austrägt. Das Personal ist überreich an exzentrischen Figuren, die sich fortspinnende Handlung, damals in der Serienwelt noch eine Rarität, lässt keine Höhen und Niederungen aus. Riget ist nicht nur eine Generalabrechnung mit dem Berufsstand der Ärzte, sondern auch eine grelle Gesellschaftssatire, in der jeder und jede sein Fett abkriegt: mit boshaftem Witz ersonnen, konsequent trashig inszeniert, doch im Kern durchaus wahrhaftig.
Andreas Furler