Lubo
Giorgio Diritti, Italien, Schweiz, 2023o
Der Jenische Lubo wird 1939 in die Schweizer Armee eingezogen. Während des Dienstes erfährt er, dass ihm seine Kinder (im Zuge der berüchtigten Aktion der Pro Juventute «Kinder der Landstrasse») weggenommen wurden und seine Frau beim Versuch gestorben ist, das zu verhindern. Lubo wird daraufhin selbst zum Mörder und plant, sich an der verlogenen gutbürgerlichen Gesellschaft zu rächen. Die Parabel eines unverwüstlichen Mannes, der sich von den vielfältigen Schicksalsschlägen nicht unterkriegen lässt, sondern sich mit der Kraft der Verzweiflung am Leben hält.
Dieses Drama eines Bündner Jenischen, der 1939 zum Militärdienst aufgeboten wird und bei der Konfrontation mit Beamten seine Kinder und seine Frau verliert, hüpft so sprunghaft durch zwanzig Lebensjahre, dass sich erzählerische Absicht und Lapsi schwer unterscheiden lassen. Zunächst mutiert der Titelheld Lubo (Franz Rogowski) vom fahrenden Schausteller und Aktivdienst-Deserteur unvermutet zum Raubmörder, dann ähnlich unverhofft zum Verführer bürgerlicher Frauen – worüber er seine geraubten Kinder glatt zu vergessen scheint. Als sich im Tesssin der 1950er Jahre ein spätes Glück anbahnt, holt die Vergangenheit Lubo abermals aus heiterem Himmel ein. Was als Anprangerung des damaligen Schweizer Umgangs mit den Fahrenden gedacht war, gerät zur Chronik eines Lebens, dem üble Zustände und Zufälle partout jene Sinnhaftigkeit verweigern, die uns Filme meist suggerieren: Eigenartig, doch nicht uninteressant.
Andreas Furler