Le vent qui siffle dans les grues
Jeanne Waltz, Portugal, Schweiz, 2023o
Algarve, Ende der 1990er Jahre. Nach dem Tod ihrer Grossmutter lernt die Portugiesin Milene – eine lebenslustige junge Frau – den Kapverdier Antonino kennen. Vor dem Hintergrund der jüngeren Geschichte Portugals taucht der Film in die Welt zweier Familien und ihrer sozialen Realitäten ein. Die neue Liebe zwischen Milene und Antonino steht auf dem Prüfstand. Eine grausame Familiengeschichte gefährdet ihr Glück.
Man muss verrückt sein, um unterhalb seiner Klasse zu lieben. Dies besagen die Blicke von Milenes Onkeln und Tanten, als sich ihre geistig leicht behinderte Nichte in der Algarve der 1990er Jahre in einen kapverdischen Arbeiter verliebt, der ihre Liebe erwidert. Die Schweizer Filmemacherin Jeanne Waltz, die seit über dreissig Jahren in Portugal lebt, gibt diesem Wahnsinn Recht, und die Schauspielerin Rita Cabaço verkörpert ihn brillant, indem sie eine junge Frau darstellt, die mit der Welt, wie sie ist, nicht zurechtkommt, und ihr Leben so leben möchte, wie sie es will. Ihre Familie hört das nicht und begeht an Milenes Körper ein nicht wieder gutzumachendes Unrecht. Die Auflösung hat einen entsprechend bitteren Beigeschmack: Die Romantik des Paares beugt sich den kleinen Absprachen, dem Preis, den sie zahlen, um ihre Liebe zu leben. Diese aber bleibt würdevoll und anmutig, so wie die Inszenierung.
Émilien Gür