Bâtiment 5
Ladj Ly, Frankreich, 2023o
Haby, eine schwarze junge Frau, die sich für das Leben in ihrer Pariser Banlieue-Gemeinde engagiert, entdeckt den Plan zur Neugestaltung des Viertels und zum Abriss des Gebäudes, in dem sie aufgewachsen ist. Dahinter steckt der weisse Kinderarzt Pierre Forges, der nach dem plötzlichen Tod des Amtsinahbers zum Bürgermeister aufgestiegen ist. Gemeinsam mit ihrer Familie macht sich Haby auf den Weg, um die Stadtverwaltung und ihre grossen Pläne zu bekämpfen.
Nach seinem erfolgreichen Banlieue-Drama Les Misérables (2019) kehrt der französische Regisseur Ladj Ly erneut in die Pariser Vororte und damit zu einem Schauplatz grosser sozialer Spannungen zurück. Sein Interesse für dieses Milieu erstaunt nicht, denn er selbst ist dort aufgewachsen und viele Elemente des Plots stammen aus seinem biografischen Erfahrungsschatz. Im Film geraten ein opportunistischer Kinderarzt (im Gegensatz zur Mehrheit der Banlieuebewohner heller Hautfarbe) und eine engagierte junge Französin mit Migrationshintergrund aneinander: Er wird nach dem plötzlichen Tod des Vorgängers interimistisch zum neuen Bürgermeister ernannt und findet an der neuen Machtposition zunehmend Gefallen, sie hingegen setzt sich für die Benachteiligten des Quartiers ein. Die Situation eskaliert von Szene zu Szene, die verbale Gewalt weicht immer mehr der physischen. Ein eindringlicher, sehr politischer, gut gespielter und inszenierter Gesellschaftsthriller, der die Ursachen des Hasses auf das Establishment so verständnisvoll präsentiert, dass er damit fast jede Form der Rebellion, auch die gewaltsame, legitimiert.
Till Brockmann