Ein ganzes Leben
Hans Steinbichler, Deutschland, Österreich, 2023o
Ein Mann blickt im hohen Alter auf sein von Armut, Gewalt und Kriegen geprägtes Leben in den Tiroler Alpen zurück. Nach einer schlimmen Kindheit Anfang des 20. Jahrhunderts schien sich sein Schicksal zu wenden, doch tragische Unglücksfälle und der Zweite Weltkrieg machten das Meiste zunichte. Die Momente des Glücks und eine grosse Liebe machen den Protagonisten dennoch zu einem Menschen, der mit dem Lauf der Dinge im Reinen ist und das Leben als Bergler jederzeit zu schätzen weiss. – Nach dem Roman von Robert Seethaler.
Der Roman des österreichischen Autors Robert Seethaler Ein ganzes Leben fand 2014 grossen Anklang weit über die nationalen Grenzen hinweg und wurde seitdem in mehrere Sprachen übersetzt. Wie die Vorlage nimmt sich auch Hans Steinbichlers gleichnamige Verfilmung vor, das harte und schicksalshafte Leben des Protagonisten Egger, das sich mehrheitlich in einem abgelegenen Tiroler Bergdorf abspielt, in seiner ganzen dramatischen Bandbreite, doch ohne episch-kollossale Untertöne darzustellen: von seiner Kindheit am Anfang des 20. Jahrhunderts über den ersten und zweiten Weltkrieg bis hin zum Greisenalter, in dem der Protagonist die Mondlandung am Fernsehen verfolgt. Egger, der für dieses Vorhaben von drei sich gut ergänzenden, Schauspielern verkörpert wird, bewahrt sich trotz der körperlichen und seelischen Gewalt, die ihm von seinem Stiefvater angetan wird, trotz der Tatsache, dass sein Liebesglück allzu kurz währt und trotz einer Zeit als Kriegsgefangener in russischen Händen die Fähigkeit, dem Leben mit Wertschätzung und Bescheidenheit zu begegnen. Nur zwei Dinge kommen der Nüchternheit der filmischen Darstellung in die Quere: die hiefür zu stattliche musikalische Begleitung und die Zahl der Alpenpanoramen, welche die Grösse und Tragweite der Geschehnisse doch unterstreichen.
Till Brockmann