Vincent doit mourir
Stéphan Castang, Frankreich, 2023o
Eines Tages wird Vincent, ein durchschnittlicher, langweiliger Mann in seinen Vierzigern, Opfer eines beängstigenden und unerklärlichen Phänomens: Jeder, der seine Aufmerksamkeit erregt, verspürt plötzlich den Drang, ihn zu töten. Um zu überleben, versucht Vincent, so wenig wie möglich mit Menschen in Kontakt zu kommen – vergeblich. Bald hat er das Gefühl, dass die ganze Welt hinter ihm her ist.
An Vincent (Karim Leklou) ist nichts ungewöhnlich: Er arbeitet mit wenig Elan in einer kleinen IT-Firma, ein Mitvierziger, der allein lebt und sich im Internet auf Kontaktbörsen umsieht. Als er zu einem neuen Praktikanten einen blöden Witz macht, haut dieser plötzlich mit voller Wucht einen Laptop in Vincents Gesicht; wenig später wird Vincent von einem anderen Kollegen attackiert. Er versucht, den rätselhaften, sich häufenden Ausfällen auf den Grund zu gehen, zieht sich in ein Ferienhaus zurück – und merkt bald, dass er nicht der einzige ist, der aus heiterem Himmel von anderen bedroht wird. Mit einem neuen Hund an der Seite schützt er sich, so gut es geht. Und begegnet einer Kellnerin (Vimala Pons), die sich ihm vertrauensvoll nähert. Aus diesem Genre-Stoff macht der französische Regisseur Stéphan Castang einen subtilen Psychothriller mit Schockelementen. Das ist, von einer kleinen Logikpanne abgesehen, spannend erzählt und so angelegt, dass das Unerklärliche immer aus dem Alltäglichen kommt. Dabei entwickelt sich unaufdringlich eine zweite metaphorische Ebene. Diese erzählt von Entfremdung und Misstrauen in einer Gesellschaft, in der sich alle feindlich gesinnt sind und die Momente des Vertrauens das eigentlich Unbegreifliche darstellen.
Kathrin Halter