Sisi & Ich
Frauke Finsterwalder, Österreich, Deutschland, Schweiz, 2023o
Die Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn, gesehen mit den Augen ihrer Hofdame: Fernab des kitschigen „Sisi“-Klischees, zeigt sich eine Frau, die sechs Sprachen spricht, Leistungssport treibt, sich jahrelang ohne ihren Mann auf Reisen durch ganz Europa wagt und mit ihrem freien Geist ganz und gar nicht in das Korsett des Wiener Hofes passt.
Im ausgehenden 19. Jahrhundert war Kaiserin Elisabeth von Österreich so etwas wie die erste Influencerin Europas. Sie galt als bildschön, aber auch als eigenwillig. Nicht ganz so kritisch-düster wie in Corsage, doch ebenfalls die Zerrissenheit der "späten" Sisi betonend, erzählt dieser sehr unterhaltsame und gewitzte Film von der Beziehung der Kaiserin zur ihrer Hofdame Irma (Sandra Hüller). Diese wird der Regentin als Aufpasserin zur Seite gestellt, doch auch sie verfällt Sisis Charme und Machtspielen. Ebenso muss sie der neurotischen Körperkasteiung der Kaiserin, die vor allem aus Turnen, Reiten und Hungern besteht, folgen. Das Bild der Sisi ist komplex: Die Kaiserin ist bald kindlich spielerisch, bald aufbehrend – und stets egozentrisch. Wie weit ihre forsche Emanzipation und die recht queere Darstellung des ganzen Hofes historischen Fakten entsprichen, ist letztlich egal: Sisi war schon immer eine Projektionsfläche, die den jeweiligen Zeitgeist reflektiert.
Till Brockmann