Tchaikovsky’s Wife
Kirill Serebrennikov, Russische Föderation, 2022o
Russland im 19. Jahrhundert: Die Aristokratin Antonina Miliukova könnte alles haben, was sie will. Doch die so schöne wie intelligente Frau ist einzig davon besessen, den berühmten Komponisten Pyotr Tchaïkovsky zu heiraten. Dieser stimmt der Liaison überraschend zu – primär, um den anhaltenden Gerüchten um seine Homosexualität entgegenzuwirken. Schon bald macht er Antonina jedoch für sein eigenes Unglück verantwortlich und zeigt ihr seine Verachtung.
Die aus verarmter Landadelsfamilie stammende Antonina Miliukova verliebt sich in den ebenfalls nicht im Reichtum badenden, doch hochtalentierten Komponisten Peter Iljitsch Tschaikowski. "Verlieben" ist wohl das falsche Wort: Sie vergöttert ihn und garniert ihre erste Liebesbekundung gleich mit einer Suiziddrohung, falls er sie nicht heiraten wolle. Um (zutreffende) Gerüchte von seiner Homosexualität zu kappen und auf eine kleine Mitgift hoffend, willigt der Komponist ein, um seine Alibifrau fortan zu ignorieren und schlecht zu behandeln. Der Theater- und Filmregisseur Kirill Serebrennikov (Leto und Petrov's Flu) inszeniert die Geschichte als sinistren, schmutzigen und klaustrophobischen Kostümfilm, der oft nur mit dem Licht einer Kerze oder Petroleumfunzel ausgeleuchtet ist. Dieses filmische Vokabular passt sowohl zum düsteren Dasein der Miliukova, die sich trotz Zurückweisung mit fast lustvollem Masochismus an ihrem Ehemann festbeisst wie ein Hund an einem Knochen, aber auch zum Porträt einer Moskauer Gesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert, die aus bitterer Armut oder dann aus launenahaftem, selbezogenenem Kleinadel und Grossbürgertum besteht. Serebrennikov gelingt so ein aussergewöhnliches und pointiertes Sittengemälde.
Till Brockmann