Le otto montagne
Felix van Groeningen, Charlotte Vandermeersch, Belgien, Frankreich, Italien, GB, 2022o
Die Geschichte des Stadtkindes Pietro und des Bergbuben Bruno, die mit zwölf Jahren im norditalienischen Aostatal Freundschaft schliessen, zu Männern werden, sich an den Vätern, an der Liebe und an Verlusten abarbeiten und trotz getrennter Wege nie aus den Augen verlieren. In langen Bergsommern bauen sie eine zerfallene Hütte neu auf, mit jeder Wiederbegegnung stellt sich ihnen aufs Neue die Frage, ob das sesshafte oder unstete Leben das richtige ist. Was ihnen auf alle Fälle bleibt, ist ihre Verbundenheit.
Wie findet man zu einem erfüllten Leben und zu sich selbst: Indem man bei seinen Wurzeln im Aostatal bleibt und dort allen Widrigkeiten trotzt wie der Bergbub Bruno? Oder indem man in die Welt hinauszieht und sich unterschiedlichsten Einflüssen aussetzt um den Preis der Unbehaustheit wie das Stadtkind Pietro? Nach dem frühen Meisterwerk The Broken Circle Breakdown und der bohrenden Vater-Sohn-Studie Beautiful Boy geht der Belgier Felix van Groeningen abermals existenziellen Fragen nach und verfilmt, gemeinsam mit seiner Frau Charlotte Vandermeersch, den Bestseller "Acht Berge" von Paolo Cognetti, in dem zwei Jugendfreunde jeden Sommer am Wiederaufbau einer zerfallenen Alphütte arbeiten und dabei von ihrer Herkunft, der Liebe und der Frage nach dem guten Leben reden. Solange Bruno und Pietro noch Buben und werdende Männer sind, nimmt sich das aus wie eine Readers-Digest-Fassung des Romans, in dem die Themen erst angetippt werden. Mit jedem Jahrring aber gewinnt der Film an Atmosphäre und Tiefe, und wo die Worte nicht reichen, übernehmen die Landschaften und die naturwüchsige Musik des Schweden Daniel Norgren den Hauptpart. Ein grosses Epos über Männlichkeit, getrennte Wege und bleibende Verbundenheit.
Andreas FurlerDer rastlose Pietro kehrt jeden Sommer zum bodenständigen Bergler Bruno zurück, die Freundschaft der beiden überdauert alles. Während der Film seinen unterschwelligen Brokeback Mountain-Vibe konsequent durchhält, aber nie einlöst. Das ist nicht der einzige Trick, der hier eine magische Wirkung entfaltet. Ein anderer ist das klassische Academy-Bildformat, das sich im Gegensatz zu den längst gewohnten Breitbild-Formaten tatsächlich viel besser eignet, die vielen Vertikalen der Berge zur Geltung zu bringen. Gleichzeitig wirkt es immer wie ein Fenster von Innen nach aussen, was die Kamera auch immer wieder suggeriert. Le otto montagne ist ein sehr eigenwilliger, sehr schöner und manchmal etwas zu einfacher Film. Dass er die Kraft hat, einen ziemlich viel tiefer zu berühren, als man sich selber in den zweieinhalb Stunden eingestehen mag, spricht übrigens für genau diese Einfachheit.
Michael SennhauserDepuis La Merditude des choses et Alabama Monroe, on sait que Felix Van Groeningen n’a peur de rien. En tout cas ni du mélo, ni du trop-plein. Nouvelle preuve avec ce Huit montagnes, co-réalisé avec sa femme Charlotte Vandermeersch. Adapté du roman de Paolo Cognetti, le film suit de l’enfance à l’âge adulte Pietro, l’enfant solitaire de la ville, et Bruno, le gamin farouche de l’alpage. Pris à bras-le-corps dans une histoire intense, parfois violente, le spectateur suit les héros entre désenchantement et lyrisme. Incroyablement filmé (les montagnes occupent tout l'espace du cadre carré), incroyablement incarné (est-ce qu'un jour Lucas Marinelli, l’interprète de Pietro, aura le succès qu'il mérite ?), le film produit des vibrations intimes puissantes et impressionne par sa maestria visuelle et sa manière de mettre l'homme face à lui-même, entre doute, renoncement et espoir émerveillé.
Gael Golhen