Jill
Steven Michael Hayes, Schweiz, 2022o
Ende der 70er Jahre. Ted und Joann ziehen in einen Wald Nordamerikas mit dem Ziel, ihre fünf Kinder ohne äussere Einflüsse und nach guten amerikanischen Werten aufzuziehen. Im Wald geboren, wächst ihre jüngste Tochter Jill in einem kleinen Paradies auf. Dieses wird erstmals infrage gestellt, als ihr Bruder den Wunsch äussert, aufs College zu gehen. Der Freiheits- und Selbstständigkeitsglaube zeigen sich bald als verhängnisvolle Ideologie und in der Abgeschiedenheit entstehen immer tiefere Gräben im Familienidyll, die Gewalt heraufbeschwören.
Aussergewöhnlich ist Jill allein deshalb, weil der Zürcher Regisseur Steven Michael Hayes ihn in einem Wald im Jura drehte, alle DarstellerInnen jedoch englischsprachig sind und die in den USA spielende Story in ihren Themen und ihrer Aktualität so durch und durch amerikanisch wirkt, dass kein Mensch auf die Idee käme, es handle sich hier um eine Schweizer Produktion. Der mittels zwei Zeitebenen packend und überzeugend erzählte Film handelt von einer Familie, die sich in den Siebzigerjahren von der Gesellschaft in einen Wald zurückzieht, um dort eine eigene Utopie aufzubauen. Doch Idealismus und eigentlich positive Werte werden bald zur kruden Paranoia, welche die ganze Familie in eine immer gewalttätiger werdende Geiselhaft nimmt. Ein klug inszenierter und auch gut besetzter Film, der viel über Verschwörungstheorien, Selbstgerechtigkeit und blinde ideologische Versteinerung aussagt, die nicht nur in den USA, sondern auch bei uns immer mehr zu einer gefährlichen Kraft werden.
Till Brockmann