Annie Colère
Blandine Lenoir, Frankreich, 2022o
Das ländliche Frankreich im Frühjahr 1974: Die Fabrikarbeiterin Annie ist bereits Mutter zweier Kinder und wird ungewollt nochmals schwanger. Sie nimmt Kontakt mit dem MLAC auf, einer Vereinigung progressiver Frauen, die sich für das Recht auf Abtreibung einsetzt und auch illegale Abtreibungen vornimmt. Annie fühlt sich bei ihnen aufgehoben, wird selbstbewusser und schliesslich selber aktiv: Sie erforscht die Geschichten von Frauen, die sich für weibliche Anliegen einsetzen.
In Frankreich fordern mehrere Gruppierungen, das Recht auf Abtreibung in der Verfassung zu verankern. Das Thema ist mindestens seit 1973 im französischen Kino präsent, als sich Histoire d'A für die Liberalisierung der Abtreibung stark machte. Als jüngster Markstein dieses Kampfes mit filmischen Mitteln erzählt Annie Colère von Blandine Lenoir von der Abtreibung im Frankreich der 1970er Jahre, und dies mit einer Hauptdarstellerin, Laure Calamy, auf dem Gipfel ihres Könnens. Wer sonst hätte die diese Arbeiterin, Mutter von zwei Kindern und Akteurin im Kampf für die Legalisierung der Abtreibung besser verkörpern können als sie, nachdem sie selbst Erfahrungen damit gemacht hatte und mit dem französischen MLAC (Mouvement pour la liberté de l'avortement et de la contraception) in Kontakt gekommen war? Von der Art, wie sie einige Sekunden mit der Antwort zögert, wenn ihr eine Frage gestellt wird, bis hin zu ihrem entschlossenen Einsatz im Kampf erzählt ihr Körper, wie man zum politischen Subjekt wird.
Émilien Gür