The Pianist
Roman Polanski, Frankreich, Deutschland, Polen, GB, 2002o
Das Schicksal des polnischen Pianisten Wladyslaw Szpilman, der sich nach der Auflösung des Warschauer Ghettos mit der Hilfe polnischer Widerstandkämpfer monatelang in menschenleeren Ruinen versteckte und von einem deutschen Wehrmachtsoffizier vor dem Hungertod bewahrt wurde. Die authentische Geschichte dient Regisseur Roman Polanski auch zur Bewältigung seiner eigenen Vergangenheit.
2002 die Goldene Palme von Cannes, 2003 die Oscars für die beste Regie, das beste adaptierte Drehbuch und den besten Hauptdarsteller, derzeit fast eine Million Bewertungen auf IMDb mit einem Durchschnittswert von 8.5: Man wagt kaum zu schreiben, dass Roman Polanskis Drama über den Holocaust in Warschau gut zwanzig Jahre nach der Premiere im ersten Akt leicht theatralisch anmutet und die Besetzung der Hauptrollen durch angelsächsische SchauspielerInnen noch immer irritiert. Dann jedoch dies: Ist der naive Optimismus einmal erloschen, mit dem die Familie des jüdischen Pianisten Szpilman die vermeintlich kurzfristige Besetzung Polens durch Hitler-Deutschland quittiert und selbst im Ghetto die Ausrottungsstrategie der Nazis verkennt, wächst der Film zu seiner historischen Grösse heran. Irrwitzig und erschütternd Szpilmans Einquartierung in leerstehenden Wohnungen, seine Einsamkeit, sein Hunger und seine Fluchten durch die Trümmerlandschaften des Krieges, schliesslich sein Ausharren in der Winterkälte auf einem Dachboden. Fast wortlos verläuft jetzt der Kampf ums Überleben in immer lebensfeindlicheren Szenerien. Polanski und sein Darsteller Adrien Brody zeigen Szpilman dabei nicht als Helden, sondern als Spielball von Zufall und Schicksal, als lebendes Denkmal eines Unrechts von biblischem Ausmass. Unvergessen, unvergesslich schliesslich die Bilder und das Spiel, die Intonation und die wenigen Gesten, das Timing und die Pausen der Schlusssequenz, in welcher der Pianist einem deutschen Wehrmachtsoffizier begegnet, für ihn spielen muss und von ihm als Mensch erkannt wird. Ähnlich wie seine (reale) Hauptfigur überlebte Polanski als vermeintliches Waisenkind das Ghetto von Krakau, sein Vater das KZ Mathausen, während seine Mutter in Auschwitz starb. Selbst wenn der heute 90-Jährige nie etwas anderes gedreht hätte als die letzten 45 Minuten von The Pianist: Ein Stück Unsterblichkeit wäre ihm damit gewiss.
Andreas Furler