Am Ende der Nacht
Christoph Schaub, Schweiz, 1992o
Die Geschichte von Robert Tanner, einem einfachen Mann, der bis zu seiner wahnsinnigen Tat niemandem besonders aufgefallen ist. Er war ruhig und höflich mit Nachbarn und den Stammkundinnen in der Lebensmittel-Filiale. Doch dann bringt er seine Frau um und anschliessend auch den gemeinsamen kleinen Sohn. Er tut es mit einer merkwürdigen Ruhe, fast so, als müsste er etwas in Ordnung bringen. Dann geht er «auf die Reise», wie er sagt und findet langsam zu einem eigentümlichen Gleichgewicht. Und doch wächst mehr und mehr in ihm das Gefühl für seine Tat und für seine verzweifelte Situation.
«Am Ende der Nacht» ist aber kein Film, der das Psychogramm eines Mörders zeigt; es geht hier mehr um die Mutlosigkeit eines Menschen, der sich in seinem Leben nicht mehr zurechtfindet. Tanners Welt ist zuinnerst zerrüttet, und doch scheint sie normal. Der Regisseur zeigt diese Brüchigkeit der Existenz mit beklemmenden Bildern. Unspektakuläre Schauplätze, Lebensmittelfiliale, Videothek oder Einfamilienhaus, können zum Ort von Tragödien werden. Hier gibt es wenig Zuversicht, und jeder Ausbruchsversuch aus der Enge führt in eine Sackgasse.
Peter von Strombeck spielt diesen Robert Tanner, und er zeigt einen gequälten Menschen. Seine Darstellung wirkt unruhig und seltsam gefasst zugleich. Jessica Früh ist als Tanners Frau Opfer und Täterin: die Ambivalenz von Stärke und Nachgiebigkeit fasziniert. In diesen Rahmen hinein fügen sich die übrigen Figuren der Geschichte. Alle sind sie in einem Netz von Abhängigkeiten gefangen.
Stefan BuszDas Kino von Christoph Schaub sucht die Nähe zur Realität und nicht die Distanzierung von ihr. Es sucht gleichzeitig nicht ihr simples Abbild, vielmehr die atmosphärische Dichte. (…) Für Schaub steht klar das Klima im Vordergrund. Unterstützt von Ciro Cappellaris Kamera, zeichnet er in präzisen Strichen das Bild einer Kleinstadt, in der das Leben seinen eigenen Rhythmus hat, vieles leicht verzögert erscheint, erst im nachhinein bewusst wird. Schaub nähert sich der Enge im Eigenheim, der erloschenen Euphorie der Liebe, dem eingeschliffenen Lauf des Alltags. Die Stimmung wird stickig – und dann bricht Tanner aus, indem er Frau und Kind die letzte Luft zum Atmen nimmt, sie umbringt
Walter Ruggle