Die Gentrifizierung bin ich: Beichte eines Finsterlings
Thomas Haemmerli, Schweiz, 2017o
Ein ironischer Dokumentar-Essay über das Wohnen und den Raumverschleiss in den Städten, Dichtestress, Gentrifizierung und Fremdenfeindlichkeit. Der Regisseur setzt auf einen radikal persönlichen Ansatz, der sich aus seiner Biographie und seiner prononciert kosmopolitischen Lebensweise ergibt: von der komfortablen Kindheit am Zürichberg, über WGs in besetzten Häusern und Yuppie-Wohnungen, bis zu seinen Zweit-, Dritt- Viertwohnsitzen Mexiko-City, Tiflis und São Paulo.
Der langjährige Zürcher Kultur- und Gesellschaftsjournalist, Kunstvermittler und Konzepter Thomas Haemmerli spaltet das Publikum: Die einen halten den notorischen Spötter und Tausendsassa für einen kaltherzigen Egozentriker, bei dem sich am Ende alles immer nur um sich selber dreht, die anderen schätzen die Leichtigkeit und den frechen Witz, mit dem er auch schwere Themen angeht, alles in ein unterhaltsames Spiel verwandelt und dabei auch sich selber nicht schont. Nach seiner rabenschwarzen Dokkomödie "Sieben Mulden und eine Leiche", in der er mit bisweilen schwer erträglicher Nonchalance die sterblichen Überreste und die Hinterlassenschaft seiner Messie-Mutter entsorgte, hat dieser zweite abendfüllende Film den Vorteil, dass er nicht von Leben und Tod handelt, sondern "nur" von der Lust, der Mühsal und den seltsamen Sitten, die mit dem städtischen Wohnen in aller Welt verbunden sind. Daraus ergibt sich dank kluger Materialauswahl und gewitzter Montage das schillernde Selbstporträt eines gehobenen urbanen Weltbürgertums, das über die relative Leichtigkeit und den forcierten Unernst seines Daseins hinaus ebenso amüsante wie erhellende Einsichten vermittelt.
Andreas FurlerDie Wohnungsnot ist groß, auch bei Schweizer Rundfunkjournalisten mit dickem Erbe. Der Filme- und Spaßmacher Thomas Haemmerli hat einen als Gentrifizierungs-Doku getarnten Film über sich selbst gedreht. Am Beispiel seiner vielen, über den ganzen Globus verteilten Immobilien stellt er die bahnbrechende These auf, als reicher Europäer möglicherweise ein Teil des Wohnungsproblems in den Metropolen zu sein. Was hier als Eigenkritik verkauft wird, ist zynische Selbstgerechtigkeit. In billigen Montagen macht er sich über alles und jeden lustig: Linke, Rechte, Arme, Reiche. Alles Deppen, außer Haemmerli. Dabei filmt er etwas zu oft in Kloschüsseln und Frauen in den Schritt.
Nicolas FreundGalerieo


