Fitzcarraldo
Werner Herzog, Deutschland, Peru, 1982o
Der exzentrische Fitzcarraldo ist von der Idee besessen, mitten im unberührten Amazonas-Dschungel ein Opernhaus zu bauen. Von den Ersparnissen seiner Freundin kauft er einen alten Flussdampfer und beginnt seine Reise. Um die gefährlichen Stromschnellen einer Flussmündung zu umgehen, entwickelt Fitzcarraldo einen atemberaubenden Plan: Hunderte von Indios sollen das riesige Schiff über eine unpassierbare Urwaldhöhe transportieren.
Ja, dies ist der Film, in dem der halbirre Klaus Kinski als ebensolcher Unternehmer im weissen Leinenanzug mit Hilfe von Hunderten indigener Fronarbeiter einen mittleren Mississippi-Dampfer über einen Hügel im peruanischen Urwald zieht, um ein Kautschukgebiet zu erschliessen, aus dessen Erträgen er ein Opernhaus am Ende der Welt bauen will. Mehr an nennenswerter Story ist da nicht, die erste von zweieinhalb Stunden, in denen Kinski mit einer dauerbeschwingten Claudia Cardinale als Puffmutter durch ein Dschungelkaff furzt, ist blosse Staffage. Doch kaum stösst der Abenteurerregisseur Werner Herzog mit Kinski und der bizarren Besatzung des Schiffs in den Dschungel vor, ist man in einem anderen Film: Herzog gibt der Natur und ihren UrbewohnerInnen Zeit, sich der Eindringlinge zu bemächtigen, das Roden und Erschleppen des Hügels wird zum titanischen Unterfangen voller Fragwürdigkeiten, die abschliessende Flussfahrt zum metaphorischen Untergang in Zeitlupe: Enrico Carusos Tenor plärrt gegen die undurchdringlichen Blätterwand an, bis die Grammophonnadel in den Stromschnellen aus der Rille springt und Kinski als Looser zur Travestie einer grossen Oper kommt. Wie Zorba the Greek mit der kollabierenden Seilbahn oder The Treasure of the Sierra Madre mit dem vom Winde verwehten Goldstaub gehört Fitzcarraldo zu den ikonischen Filmen über Grösse und Irrsinn, Vergeblichkeit und die Unbeirrbarkeit menschlichen Strebens: meschugge und unvergesslich. – Den Kautschukbaron Fitzgerald alias Fitzcarraldo übrigens hat es wirklich gegeben, doch das Schiff, das er über Land schleppen liess, wog zehnmal weniger als jenes im Film und wurde für den Transport vernünftigerweise zerlegt. Die Produktionsgeschichte des Films wiederum ist ein Roman für sich, der im Dokumentarfilm Burden of Dreams und etlichen Online-Artikeln aufgerollt wird.
Andreas Furler