Interstellar

Christopher Nolan, Kanada, USA, 2014o

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Die Erde der Zukunft ist gezeichnet von Katastrophen, Hungersnöten und Dürreperioden. Es gibt nur eine Möglichkeit, das Überleben der Menschheit zu sichern: interstellare Reisen. Ein neu entdecktes Wurmloch in den Weiten unseres Sonnensystems ermöglicht es einem Astronautenteam, dorthin zu reisen, wo noch nie ein Mensch zuvor gewesen ist - zu einem Planeten, der vielleicht die richtigen Voraussetzungen für menschliches Leben bietet.

Das Drehbuch haben Christopher Nolan und sein Bruder Jonathan geschrieben, und diesmal haben sie so viel reingepackt, dass es nicht zum Aushalten ist: Die Ausführungen über Schwarze Löcher und was hinter denen stecken kann, sind oft unfreiwillig komisch. Und nach dem, was man in Nolans «Inception» geboten bekommen hatte, wirken die Special Effects billig, wie aus einem Planetarium der Sechzigerjahre. Da helfen auch die vielen Stars nichts.

Thomas Bodmer

Ein fast dreistündiger Trip in die Relativitätstheorie, bis an die Grenzen von Raum und Zeit. Ein Wurmloch dient als Tor zu einer fremden Galaxis, wo die Menschheit eine neue Heimat sucht, denn die Erde verödet. Matthew McConaughey und Anne Hathaway erleben kosmische Lichtspiele wie seinerzeit in Kubricks "2001", doch am Ende geht es Christopher Nolan um die fragile Physik der Gefühle.

Tobias Kniebe

Plus que les visions de l'au-delà, c'est la taille du spectacle qui se retrouve promue, toutes les parties visant au monumental. Impossible pour nous de ne pas adhérer à la fois à l'ambition du projet et à son sérieux.

Pierre Berthomieu

Christopher Nolan a toujours eu la volonté d’offrir le plus grand spectacle possible, de clouer le spectateur sur son siège, de ne lui offrir aucun répit.

Jacky Goldberg

Galerieo

Tages-Anzeiger, 03.11.2014
Im All hört dich keiner schluchzen

Mit dem Sci-Fi-Opus «Interstellar» legt Christopher Nolan sehr weite Strecken zurück, um auf die Tränendrüse zu drücken. Aber noch immer bietet sein Blockbuster-Kino smarte Ideen zur Zeit.

Von Pascal Blum

Hier unten ist es nicht mehr schön. Die Welt versinkt im Staub, er fegt über die Maisfelder im Ackerland und zerstört die Pflanzen. Da oben ist es auch nicht schöner. Der Hagel klappert aufs Dach des Raumschiffs im schwarzen Loch, ein Geröllregen im zappendusteren Zeittunnel. «Interstellar» beginnt im Staub und endet im Hagel. Dazwischen stehen alle Zeichen auf Sturm. Es ist eine Reise vom versehrten Planeten zur metaphysischen Epiphanie, ein Trip von J. G. Ballard zu Stanley Kubrick. Das Gefühls­kerosin liefert Steven Spielberg.

Ja, unter dem Kosmos macht es der amerikanische Blockbuster nicht mehr. Auch Christopher Nolan geht dorthin, wo vor ihm schon einige Männer waren: in die allumfassende Sentimentalität. Je länger man ins Nichts hinausfliegt, desto eher landet man bei sich, scheint es, oder zumindest bei der eigenen Tochter. Derart weit jedenfalls ist wohl noch nie einer geflogen für eine Familienzusammenführung: bis zu den Ringen des Saturns und daran vorbei, durchs Wurmloch in eine andere Galaxie mit den zwölf Welten.

Dozenten im All

Wahrscheinlich leben dort die zwölf Stämme Israels. Womöglich schläft aber auch nur Matt Damon den Kälteschlaf. Vielleicht aber beginnen wir erst einmal dort, wo alles anfängt und das meiste endet, also im Staub. Es ist so: In «Interstellar» schickt Christopher Nolan die Staubplage und die Braunfäule über ein Amerika der nahen Zukunft. Dem verwitweten Farmer Cooper (Matthew McConaughey) und seiner blitzgescheiten kleinen Tochter Murph verenden die Plantagen. Aber der Dreck, der durchs Fenster hereinweht, lagert sich ab in einem merkwürdigen Muster. Tatsächlich, es geschehen noch Zeichen. Sie führen zu einem Nasa-Geheimlabor, wo Professor Brand (Michael Caine) und seine Astronautentochter (Anne Hathaway) den Plan gefasst haben, die unbewohnbare Welt hinter sich zu lassen und eine Menschenkolonie aufzubauen hinter dem Wurmloch.

Cooper, früher ein ausgefuchster Raum­fahrer, wird als Messias angeheuert. Er steuert die Erkundungsmission in die tintenschwarze Endlosigkeit (Nolan hat teilweise auf 70-mm-Breitformat gedreht); hinauf zu majestätischen Eis­wolken, hinunter auf Wasserplaneten mit Riesenwellen, vorbei an früheren Pionierposten, stets begleitet von seiner dreiköpfigen Crew und einem Roboter, der wirkt wie eine klobige Ikea-Kommode. Nur seine Tochter lässt er auf der Erde zurück. Sie sieht aus wie eine kleine Jessica Chastain, und sie wächst heran zu Jessica Chastain: Wenn der Vater auf einem fremden Stern eine Stunde zwischenlandet, vergehen für die Tochter auf der Erde sieben Jahre (es sind sicherlich sieben magere Jahre). Bis aus der Videobotschaft die erwachsene Murph grüsst und Cooper im grossartig zerbeulten Raumschiff in Tränen ausbricht. Doch im Weltall, da hört dich keiner schluchzen. (Dafür glöckelt Hans Zimmers vergleichsweise dezenter Minimal-Music-Soundtrack.)

Aber dozieren hört man die Figuren schon. Fast pausenlos wird in «Interstellar» über Singularitäten und Zeitdilatation geredet: Physiksprech als Muzak der Science-Fiction. Nur einem Christopher Nolan ist es erlaubt, eine Vorlesung in spezieller Relativitätstheorie im Massstab des Science-Fiction-Epos aufzuziehen. Er bleibt in Hollywoods Sequel-System ein Gedankenwüterich und Weltarchitekt von eigenen Gnaden.

Stress im Universum

Er filmt wohl tatsächlich das, was er im Kopf hat, und im Kopf hat er die Krümmung des filmischen Raums und die Rätsel der Zeit (so wie sein Bruder und Co-Autor Jonathan Nolan). Zeit bleibt sein Studienthema, von der Rewind-Chronologie des Gedächtnisschwunds in «Memento» (2000) über die doppelten Countdown-Crescendi in «The Dark Knight» (2008) bis zum ex­plosiven Spektakel der geschichteten Gleichzeitigkeit in «Inception» (2010) – ganz zu schweigen von der Lebenszeit, die man braucht, um sich seine Langstreckenfilme anzuschauen.

Auch in «Interstellar» peitschen sich die Parallelitäten und herrscht im Universum ein nervenzerreissender Stress. Aber die Grundidee ist weit klebriger: Liebe ist die Kraft, die Raum und Zeit überwindet. Christopher Nolan erweist sich da als Akkordeonspieler der Science-Fiction: Er faltet den Möglichkeitsraum auf, er faltet ihn zu. Er zeigt entfernte Welten in berauschenden ­Panoramen und klappt sie wieder zusammen, geschrumpft zu einer emotionalen Grossaufnahme.

«It’s not possible, it’s necessary!», brüllt der pilotierende Cooper unter Druck. Dazwischen, zwischen dem Unmöglichen und dem Notwendigen, sah Niklas Luhmann den Raum der Kontingenz – also das, was von der Realität aus gesehen anders möglich ist. Das ist das Terrain der Science-Fiction, bei Nolan aber zieht sich dieser Raum auf die Notwendigkeit der Liebe zusammen: Das, was anders sein kann, ist möglich wegen der Potenz der Liebe. Die Reise zu fremden Galaxien wird befeuert von der Triebkraft des Gefühls, und für die Verbindung eines Vaters zu seinem himmlischen Kind wird quasi der galaktische Bildbeweis erbracht.

Die undenkbare Welt

Nicht, dass «Interstellar» esoterisch wäre. Dazu ist Nolan zu sehr Ingenieur des spekulativen Erzählens. Gefühle sind zuerst einmal die Energieladungen der Handlungen. Die Dramatik entsteht aus der Kollision der Kräfte. Und wenig hasst Nolan so sehr wie das Übersinn­liche. Schon sein Batman war kaum mehr als ein Playboy mit teuren Spielzeugen. Auch in «Interstellar» erweist sich die Vorsehung als erklärbare Volte der Vernunft. Der irrwitzig verspiegelte Plot mündet in ein bodenloses Nolan-Finale, in ein begehbares mehrdimensionales Gedankengebäude, wo die Zeit einen tiefen Raum erhält und der Raum eine eigene Zeit – bis man staunt über das Wunder einer kosmischen Gleichung. Ist es idiotisch, es eine kleine Offenbarung des Begreifens zu nennen?

Kann sein. Vielleicht ist «Interstellar» auch nur ein ingeniöser Large Hadron Collider der Kitschpartikel. Aber kaum einer füttert den Blockbuster so mit zeitgemässen Ideen wie Christopher Nolan. Im Essay «In the Dust of This Planet» schreibt der Philosoph Eugene Thacker, der Horror unserer Zeit bestehe darin, dass man sich eine Welt, die dem Menschen gegenüber gleichgültig bleibe, nicht mehr vorstellen könne, ohne in die Sprache von Theologie oder Wissenschaft zu fallen. Der undenkbare Schrecken ist die Welt-an-sich, die Katastrophe, der Sturm. Mit dem Staub, der in «Interstellar» den Planeten verwüstet, gibt Nolan dieser Idee ein Bild. Und in den Welten, die sich im Kosmos auftun, stecken noch einige Ideen mehr. Es ist doch schön, hier unten und dort oben.

© Alle Rechte vorbehalten Tages-Anzeiger. Zur Verfügung gestellt von Tages-Anzeiger Archiv
Neue Zürcher Zeitung, 04.11.2014
© Alle Rechte vorbehalten Neue Zürcher Zeitung. Zur Verfügung gestellt von Neue Zürcher Zeitung Archiv
The Guardian, 08.11.2014
© Alle Rechte vorbehalten The Guardian. Zur Verfügung gestellt von The Guardian Archiv
The New Yorker, 09.11.2014
© Alle Rechte vorbehalten The New Yorker. Zur Verfügung gestellt von The New Yorker Archiv
The Guardian, 03.11.2014
© Alle Rechte vorbehalten The Guardian. Zur Verfügung gestellt von The Guardian Archiv
Background information
/ Flicks and the City
en / 04.04.2015 / 6‘19‘‘

Making-of: Music of Hans Zimmer
/ Warner Brothers
en / 13.04.2015 / 13‘40‘‘

Neil deGrasse Tyson on Interstellar
Fox / The Guardian
en / 15.11.2014 / 18‘32‘‘

Interview with Christopher Nolan
Von Melissa Block / NPR
en / 7‘41‘‘

Filmdateno

Genre
Science Fiction, Drama
Länge
169 Min.
Originalsprache
Englisch
Bewertungen
cccccccccc
ØIhre Bewertung8.7/10
IMDB-User:
8.7 (2228528)
Cinefile-User:
< 3 Stimmen
KritikerInnen:
< 3 Stimmen

Cast & Crewo

Matthew McConaugheyJoseph Cooper
Jessica ChastainMurph Cooper
Anne HathawayDr. Amelia Brand
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Bonuso

iGefilmt
Background information
Flicks and the City, en , 6‘19‘‘
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Making-of: Music of Hans Zimmer
Warner Brothers, en , 13‘40‘‘
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Neil deGrasse Tyson on Interstellar
The Guardian, en , 18‘32‘‘
s
gGeschrieben
Besprechung Tages-Anzeiger
Pascal Blum
s
Besprechung Neue Zürcher Zeitung
Susanne Ostwald
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Besprechung The Guardian
Mark Kermode
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Besprechung The New Yorker
David Denby
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Article about scientific accuracy
The Guardian / Robert Trotta
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hGesprochen
Interview with Christopher Nolan
NPR / en / 7‘41‘‘
s
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