Personal Shopper

Olivier Assayas, Frankreich, 2016o

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Maureen hat ein Flair für Mode und einen ungewöhnlichen Job: Sie ist die persönliche Einkäuferin einer Society-Lady. Eigentlich mag sie ihre Arbeit nicht, doch sie ermöglicht es ihr, in Paris zu sein. Denn Maureen, die sich als Medium versteht, hofft, hier ein Zeichen ihres verstorbenen Zwillingsbruders Lewis zu empfangen. Plötzlich bekommt sie Textnachrichten von einer unbekannten Nummer und gerät in einen Strudel mysteriöser Ereignisse.

Kristen Stewart stand, wie auch Lars Eidinger, schon in Sils Maria für Olivier Assayas vor der Kamera, der offenbar in ihr seine Muse gefunden hat. Eine weitere Parallele zwischen den beiden Filmen ist das Doppelgänger-Motiv, denn Maureen führt ein Schattendasein zu ihrer Arbeitgeberin, die sie verachtet und doch beneidet. Personal Shopper erzählt eine überraschende Geistergeschichte, in der die unheimlichen Seiten der digitalen Kommunikation offenbart werden.

Moritz Hagen

Ganz schön kühn, diese Verquickung von Modewelt, Social Media und Gespenstergeschichte. Können Geister Smartphones und Hotellifte bedienen, oder sind sie zu altmodischem Poltern, dem Zerschmettern von Gläsern und nebelhaften Manifestationen verdammt? Wie auch immer: Der Film ist nur schon Kristen Stewarts wegen sehenswert.

Thomas Bodmer

Eine junge Amerikanerin (Kristen Stewart) treibt sich als Kleiderassistentin eines Starlets in Paris herum. Sie interessiert sich aber weniger für Mode als für spirituelle Kräfte und versucht, Kontakt mit ihrem toten Zwillingsbruder aufzunehmen. Olivier Assayas inszeniert einen Geisterfilm aus dem Jenseits der Genrekonventionen und beweist, dass seine Hauptdarstellerin die spannendste Schauspielerin ihrer Generation ist.

David Steinitz

Galerieo

16.01.2017
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Tages-Anzeiger, 22.01.2017
Minimalismus für die Millennials

Kristen Stewart, Teeniestar aus «Twilight», steigt mit ihrem zurückgenommenen Stil zu einer herausragenden Schauspielerin unserer Zeit auf. Derzeit ist sie in «Personal Shopper» zu sehen.

Von Pascal Blum

Erst hat sich Kristen Stewart mit Vampiren eingelassen, nun ist sie ein Zombie geworden. Genauer ein Smombie, also eines jener Wesen, das die Realität jenseits seines Handyschirms kaum mehr wahrnimmt. So sitzt sie im Zugabteil in «Personal Shopper», dem neuen Film des Franzosen Olivier Assayas. Auf dem Display tropfen SMS herein, oder es laufen Youtube-Filmchen. Geistesabwesend schaut sie aus, wie sie auf den Schirm starrt. Doch sobald sie durch eine Menschenmenge steuert, wirken ihre Bewegungen geschmeidig. Und wenn man das so sieht, möchte man ­sagen: Hier klebt eine ständig an ihrem Handy, das wird also die Schauspielerin ihrer Generation sein.

Ist natürlich viel zu einfach. Olivier Assayas hat in «Sils Maria» bereits einmal mit Kristen Stewart gedreht. Sie spielte die Assistentin einer Starschauspielerin, mit der sie sich im Engadin zu einer Theaterprobe traf, die zugleich ein Verführungsspiel war. Die 1990 in Los Angeles geborene Stewart, deren Eltern beide im Hollywoodgeschäft tätig sind, verkörperte diese Rolle nicht nur anstrengungslos. Man erkannte in ihrer coolen Unaufdringlichkeit auch die Eigenschaften der Millennials, jener Leute also, die um die Jahrtausendwende aufgewachsen sind. Etwa das mühelos abrufbare Wissen über das, was gerade angesagt ist. Auch eine entspannte Professionalität im Umgang mit Technologie und eine flächendeckend ausstrahlende Selbstsicherheit, von der man nie recht weiss, worauf sie beruht.

Die Veterinärin

Assayas besetzt Stewart erneut als Assistentin, aber diesmal steht sie im Zentrum: In «Personal Shopper» spielt sie Maureen, eine Einkäuferin für eine Celebrity in Paris. Dazu klappert sie Boutiquen ab, wo man ihr umstandslos die exklusivsten Teile hinlegt. Nur schon das ist faszinierend: wie Kristen Stewart durch einen Kleiderständer blättert. Sie pflückt einen Luxusdress und lässt ihn fallen, sie knetet prüfend einen 500 Euro teuren Gürtel, als sei sie eine Veterinärin im Feld der Haute Couture. All das im Vorbeigehen, und dann nimmt sie, was sie braucht. Woher diese Treffsicherheit? Vielleicht, weil heute viele Twentysomethings so arbeiten wie ­Maureen: als Fachleute für Flüchtiges.

Kristen Stewart kann das wahnsinnig gut spielen: den Ausdruck und die zupackenden Gesten einer jungen Jobnomadin. Maureen agiert umso entschiedener, je diffuser ihre Qualifikationen sind. Sie hat einen privilegierten Zugang zu einer Welt, aus der sie sich kaum etwas macht. Sie nimmt sich auch sonst, was sie benötigt, es ist ja alles vorhanden im Youtube-Archiv. Als Kulturoptimist zeigt Assayas das Netz als reichhaltiges Reservoir: Alles gehört dir. Aber Maureens Souveränität bleibt punkmässig unglamourös, ihr reichen dunkle Hoodies. Sie schlüpft halt manchmal in die Kleider der Chefin. Verbotenerweise.

Geister melden sich per SMS

Da wird «Personal Shopper» zum Psychothriller der Heimsuchung. Maureens Zwillingsbruder ist in Paris gestorben, seither wartet sie darauf, dass er ihr aus dem Jenseits ein Zeichen schickt. Maureen ist ein Medium, sie kann mit Toten in Kontakt treten. Sie erwähnt ihre Berufung beiläufig, und sagt auch, woran sie das Zeichen ihres Bruders erkennen wird: «I’ll just know it.» Vielleicht hat sie deshalb den Job als Einkäuferin bekommen. Sie weiss halt einfach, woraufs ankommt. Doch die Geister verfolgen sie am Ende sogar per SMS: Olivier Assayas’ Vision ist eine Hauntologie der Gegenwart. Er weitet das gespenstische Gefühl von anwesender Abwesenheit, das die Kommunikation via Smartphone erzeugt, ins Reich von Fantastik und Gespenstern aus, die tatsächlich Kreuze in die Wand kratzen.

Kristen Stewart, unterdessen selbst Chanel-Model, ist eine Darstellerin wie gemacht für diesen Film: Sie scheint nicht viel zu tun, dreht kaum den Regler hoch. Ihr Minimalismus wirkt nicht aufgesetzt, in Dialogen ist sie konzentriert und unverstellt. Nicht, dass es bei ihr keine Ängste gäbe, und die Kamera registriert diese genau. Berühmt wurde Kristen Stewart als Bella Swan in der Fantasy-Schmonzette «Twilight», in der sie einen Teenager verkörperte, der sich in einen Vampir verliebte.

Eine Projektionsfläche für unsterblichen Gefühlsquatsch, nur spielte Stewart die Bella immer auch als clevere Jugendliche. Eine Schülerin, die eigentlich zu hip war, um sich nach einem Vampir zu verzehren. Die Fans hofften trotzdem, dass Stewart und ihr Leinwandpartner Robert Pattinson tatsächlich zusammenkommen mögen. Das taten sie auch – doch im Rückblick, erzählt Stewart, komme es ihr vor, als sei diese Affäre künstlich hergestellt worden. Seit sie auch mit Frauen zusammen ist und ihre Sexualität gar nicht mehr definiert, hat sich das entkrampft.

«Es hat sich halt so ergeben»

Das New Yorker Magazin «Film Comment» hat Stewart unlängst eine Coverstory gewidmet, in der es argumentierte, ihr runtergedimmter Stil gebe anderen Schauspielerinnen die Hoffnung, dass von ihnen künftig statt Gefühlsextremleistungen vermehrt eine reinere Expressivität gefordert werden könnte. In Woody Allens «Café Society» war Stewart zuletzt als umschwärmte Sekretärin zu sehen, und auch diese Rolle nutzte sie nicht für emotionale Kür­momente. Es habe sich, sagte sie, eben so ergeben, dass sie mit Woody Allen drehen konnte, und es sei ja auch gut herausgekommen. Muss man mehr sagen?

Vielleicht wirkt Kristen Stewart auch deshalb so zeitgemäss: Sie hält sich gar nicht erst mit der Frage auf, was sie da tut, ob als Einkäuferin, als Medium oder in ihrem eigenen Job als Schauspielerin. Sondern sie tuts und fragt sich, wer sie dabei wird. Und das kann man ja einmal ganz entspannt fragen. Denn die Antwort ist rätselhaft genug.

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16.01.2017
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rogerebert.com, 09.03.2017
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The Guardian, 15.05.2016
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MUBI, 05.10.2016
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Le Temps, 12.12.2016
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Im Gespräch mit Lars Eidinger
/ nochnfilm
de / 14.01.2017 / 16‘29‘‘

Interview with Kristen Stewart and Olivier Assayas
/ Cannes Film Festival
fr en / 16.05.2016 / 14‘44‘‘

Filmdateno

Genre
Drama, Krimi/Thriller, Mystery
Länge
105 Min.
Originalsprachen
Englisch, Französisch
Bewertungen
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ØIhre Bewertung6.1/10
IMDB-User:
6.1 (43994)
Cinefile-User:
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