Woman of ...
Małgorzata Szumowska, Michał Englert, Polen, Schweden, 2024o
Die Geschichte eines guten Ehemanns und jungen Vaters, der sich in seinem männlichen Körper immer weniger zu Hause fühlt und einen langen, auch für seine Liebsten schmerzhaften Weg geht, bis er in seiner polnischen Kleinstadt als Transfrau wieder leben kann. Die episodische Handlung zieht sich über mehr alls dreissig Jahre und spiegelt auch den Wandel Polens vom kommunistischen zum kapitalistischen Land.
Transgender-Filme sind seit längerem en vogue und gemessen am geringen Anteil von Menschen, die sich im falschen Geschlecht fühlen, vermutlich überrepräsentiert. Wer hinter diesem Phänomen gleich woken Wahn wittert, übersieht jedoch etwas Zentrales: Filme über Geschlechtswechsel sind allemal auch Proben aufs Exempel, ob eine liberale Gesellschaft tatsächlich bereit ist, jedem Menschen sein Recht auf Selbstbestimmung zuzugestehen. Ganz unabhängig von solchen Überlegungen ist Woman of … aber eines der stärksten Liebes- und Lebensdramen dieses Kinojahrs. Es erzählt die Geschichte des kleinstädtischen Angestellten und Familienvaters Andrzej, der in den letzten Jahren des kommunistischen Polen aufgewachsen ist und ab den 1990er Jahren immer drängender spürt, dass er ein Leben der Verstellung führt, weil er sich zuinnerst als Frau empfindet. Das resultierende Drama des Aussenseitertums, der Affronts gegen die eigenen Liebsten und eine katholisch geprägte Gesellschaft zieht sich über dreissig Jahre und springt im ersten Drittel eher nonchalant zwischen den Zeitebenen herum. Doch Malgorzata Szumowska und ihr bewährter Kameramann und Co-Regisseur Michael Englert haben ihren Stoff à fonds recherchiert und loten seine Facetten in der Familie, im Arbeitsleben und im kleinstädtischen Umfeld des Titelhelden mit Gespür für stimmungsstarke Szenen aus. Mit Händen zu greifen ist das Provinznest mit seiner Patina und zwiespältigen Intimität, bis in die letzte Nebenrolle authentisch die Verkörperung der Figuren. Nur der Sprung vom jungen Andrzej und seiner (berührend mitporträtierten) Ehefrau zum gleichen, jedoch ganz anders aussehenden Paar mittleren Alters erfordert vom Publikum einigen Goodwill; umso bestechender ist dafür die Besetzung des jungen Andrzej und seines Sohns mit dem gleichen Schauspieler. Was aus der episodischen Schilderung des Zeitenlaufs hervorgeht, ist ein leiser Triumph in Etappen. Für den Weg des Helden gilt das ebenso wie für die Inszenierung.
Andreas Furler