Die Hitler-Chronik
Hermann Pölking-Eiken, Deutschland, 2018, 1 Staffelo
Die Figur und das Phänomen Adolf Hitler sind auch bald achtzig Jahre nach dessen Tod noch nicht umfassend erklärt. Auf Basis der bisher umfangreichsten Zusammenstellung von Archivmaterial wird Hitlers Lebensgeschichte parallel zur sozialen und politschen Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert dargestellt: Das europäische Alltagsleben zwischen 1889 und 1945 wird greifbar in unkommentierten Text-, Ton-, Foto- und Filmdokumenten.
Diese Dokuserie von 2018 ist das radikale Gegenstück zu Dramen wie The Zone of Interest und The Pianist oder zur Serie Heimat, welche die realen Geschehnisse rund um die Nazizeit und den Zweiten Weltkrieg mit den Mitteln des Spielfilms rekonstruieren. Frei von jedem Kommentar montiert sie ausschliesslich Originaldokumente aus den Jahren von 1899 bis 1945 (Hitlers Lebenszeit) zu einem Panorama des alltäglichen, sozialen und politischen Lebens in Deutschland und in umliegenden Ländern jener Jahre: Zitate und Tonaufnahmen von historischen Persönlichkeiten und "gewöhnlichen Leuten", Fotos und vielfach verblüffende Filmaufnahmen (von denen überraschend viele in Farbe sind). Was so entsteht, ist in doppelter Hinsicht frappierend: eine Hitler-Biographie aus der Sicht von Schulkollegen, fanatischen Mitstreitern und erbitterten Gegnern, im gleichen Zug ein Porträt der deutschen Volksseele in und zwischen den Kriegen. Man kann sich dabei des Eindrucks nicht erwehren, dass Hitler nicht nur eines der kriminellsten Regime der Geschichte aufzog und mit handfestem Terror aufrechterhielt, sondern unter den gedemütigten Deutschen nach dem Ersten Weltkrieg auch erschreckend viele "willige Vollstrecker" (Daniel Goldhagen) seiner mörderischen Ideologie fand. – Wie zeigen die vierteilige deutsche Fassung, auf unserer englisch- und französischsprachigen Site ist die englische Synchronfassung verfügbar.
Andreas Furler