Le bleu du caftan
Maryam Touzani, Marokko, Frankreich, Belgien, 2022o
Halim ist seit langem mit Mina verheiratet, mit der er ein traditionelles Kaftangeschäft in der Medina von Salé in Marokko betreibt. Das Paar lebt seit jeher mit Halims Geheimnis, seiner Homosexualität, die er zu verschweigen gelernt hat. Minas Krankheit und die Ankunft eines jungen Lehrlings bringen dieses Gleichgewicht durcheinander.
Leuchtende orientalische Stoffe sind oft aus unterschiedlich getönten Fäden gewoben, je nach Blickwinkel «changiert» ein Kleid deshalb. Genau so schillert auch der Liebesfilm der marokkanischen Autorin und Regisseurin Maryam Touzani, mit dem die 42-Jährige in Cannes letztes Jahr den Hauptpreis in der Sektion «Un certain regard» gewann. Sanftmütig und anfangs beschaulich erzählt sie von einem Ehepaar um die Fünfzig, das sich in der Küstenstadt Salé mit handgeschneiderten Gewändern einen Namen gemacht und mit der Homosexualität des Mannes ebenso stillschweigend arrangiert hat wie mit der Krebserkrankung der Frau. Ein neuer Schneidergeselle bringt Bewegung in dieses Stillleben, doch was zum Themen- und Thesenfilm über Tabus der arabischen Gesellschaft werden könnte, bleibt voller Zwischentöne und lässt allen Figuren mit der differenzierten Zeichnung von Begehren und Verzicht Gerechtigkeit widerfahren. Viel mehr also als einer der ersten marokkanischen Filme, die sich unumwunden für Diversität aussprechen.
Andreas FurlerLa comédienne Maryam Touzani repasse derrière la caméra avec l’émouvante histoire d’un triangle amoureux dans la médina de Salé, au Maroc. Beau et sensuel comme le tissu qui donne son nom au film, et merveilleusement incarné par le comédien Saleh Bakri.
Marine Quinchon