Luc Besson, Frankreich, 2014o

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Lucy (Scarlett Johansson) wird gewaltsam in einen gefährlichen Handel verwickelt und gezwungen, ihren Körper als Depot für eine heikle Ware einzusetzen. Als sie sich einem der Kidnapper widersetzt, geraten die mysteriösen Drogen in ihren Blutkreislauf und lassen Lucy zu einer erbarmungslosen Einzelkämpferin mit übermenschlichen Kräften mutieren.

Die These, dass wir Menschen nur 10 Prozent unseres Hirns benutzen, ist Unsinn -- aber Luc Besson hat ja auch keinen ernsten Film gemacht, sondern eine enthemmte Parodie auf das Actionkino: Im Vergleich zu der allmächtigen Lucy wirkt selbst Superman wie ein Waisenknabe. Am schönsten ist aber, wenn Morgan Freeman in der Rolle eines Neurologieprofessors noch die haarsträubendsten Erklärungen mit völligem Ernst zum Besten gibt.

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Durch eine Art Intellektuellen-Chrystel-Meth wird das Party-Girl Lucy (Scarlett Johansson) zur Super-App, kann plötzlich Chinesisch, höhere Algebra - und Kampsport. Luc Besson inszeniert gewohnt stoisch seinen gehobenen Action-Trash, nur dass die prügelfreudige Hauptrolle diesmal eine Frau hat - und er sich auf der Suche nach dem Sinn des Lebens in sanfter Esoterik verheddert.

David Steinitz

This ridiculous, highly watchable, at points startlingly psychedelic action thriller is probably Luc Besson’s best film since ‘Léon’ (which isn’t saying a great deal). (...) ‘Lucy’ is not about to win any prizes from Mensa. Besson hauls in a bemused-looking Morgan Freeman as a neuroscientist in a vain effort to give legitimacy to the film’s pseudo-scientific plotline (wheeling out the old ‘we only use 10 percent of our brains’ myth). But crammed as it is with snarling foreign villains, feisty punch-ups and a peculiar habit of intercutting frames of random wildlife footage into the main action, this isn’t quite like any other blockbuster you’ll see this year – for better or worse.

Tom Huddleston

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15.08.2014
© Alle Rechte vorbehalten Süddeutsche Zeitung. Zur Verfügung gestellt von Süddeutsche Zeitung Archiv.
14.08.2014
© Alle Rechte vorbehalten Frankfurter Allgemeine Zeitung. Zur Verfügung gestellt von Frankfurter Allgemeine Zeitung Archiv.
Tages-Anzeiger, 07.08.2014
Scarlett Johansson – Triumph der Weiblichkeit

Die Schauspielerin Scarlett Johansson ist und bleibt ein Rätsel. Und das ist gut so.

Von Benedict Neff

Viele haben schon versucht, Scarlett Johansson zu beschreiben. Seit sie im Film «Pferdeflüsterer» (1998) das von einem Reitunfall traumatisierte Mädchen spielte, rackert sich die Presse an der Erscheinung des Mädchens, das eine Frau geworden ist, mit immer grösserem Aufwand ab.

An ihrer samtenen Haut, ihrem hellen, ebenmässigen Teint, an ihrer Figur und ihren Augen, für deren Beschreibung schon alle Bergseen der Welt herbeizitiert wurden. Ganz zu schweigen von ihren Lippen, diesen aufgeworfenen roten Lippen. Bald ist man bei Botticelli angelangt, wenn es um ihren Hintern, bald bei Rubens, wenn es um ihre Brüste geht, und stets wird an die grossen Hollywood-Referenzen Lauren Bacall und Marilyn Monroe erinnert. Bei der Liste der Adjektive steht «lasziv» ganz weit oben, ein Wort, das die meisten Leute wohl gar nicht verstehen und gerade deshalb das Geheimnis um diese Frau umso treffender beschreibt.

Aber wieso noch weiter beschreiben: Sie ist einfach Scarlett Johansson. Männer gehen ins Kino wegen ihr. Männer, die Woody Allens Filme hassten, begleiten ihre Freundinnen nun plötzlich gerne ins Arthouse und erklären seit «Match Point», Woody-Allen-Filme seien grossartig. Sie meinen: Scarlett-Johansson-Filme.

«Unerträglich schön»

Als der Guardian 2009 einen Artikel über eine angebliche Diät von Scarlett Johansson für den Film «Iron Man» publizierte, drehte die männliche Leserschaft durch. Einige empörten sich über das Filmprojekt, das ihrer Klasse nicht gerecht werde, die meisten aber über die bevorstehende Diät, die Johanssons Körper zu verunstalten drohe. Das vergleichsweise züchtige Porträtbild, das die Zeitung dazu veröffentlichte, raubte den Männern den Verstand. Es habe die Wirkung einer «modernen Sirene», meinten Kommentatoren, es sei «unerträglich schön». Wie gebannt: «Das Foto beeinträchtigt meine Konzentrationsfähigkeit; ich bin nicht mehr in der Lage, die anderen Artikel des Guardian aufzunehmen», so ein Leser. Scarlett Johansson warf das Publikum einer respektablen englischen Zeitung auf die basalen männlichen Bedürfnisse zurück.

Zweimal wurde Johansson von einer New Yorker Männerzeitschrift zur «Sexiest Woman Alive» gekürt, zuletzt 2013. Widersprechen möchte dem Entscheid niemand, ausser sie selbst. Sie könne mit all diesen Labels «Sexiest Woman», «Ikone», «It-Girl» nichts anfangen. 2006 erschien sie auf dem Cover der Zeitschrift Vanity Fair. Nackt liegt Johansson am Boden, die zweite; Keira Knightley, wird von ihr in den Hintergrund verdrängt, scheint zu verhungern, an ihrem dürren Körper, an Aufmerksamkeit. Zwei Stars – aber Johansson macht diesen Hintergrund so hintergründig, dass einem die knöcherne Knightley fast leidtut. Scarlett Johansson ist eine Frau, keine Spur von der Androgynität, die die Modemagazine in den letzten Jahren vorführten. Das Bild liest sich wie ein Sieg: Rückkehr der Frau.

Johansson ist die Frau, die am liebsten Männer-T-Shirts trägt, sich darin sexy findet und Hotdogs isst. Sie ist aber auch die Frau mit den roten Lippen auf dem roten Teppich, in Roben gekleidet, mit wasserstoffblonden Haaren eine bewusste Reminiszenz an die Hollywoodstars der 40er- und 50er- Jahre. Nichts scheint ohne Absicht, ohne Inszenierung.

Versteckte Talente? Keine

Als Scarlett Johansson 22 Jahre alt war, erschien ihre erste Biografie. Seither wissen wir etwa, dass sie diverse Piercings trägt am Nabel, an der Nase, den Augenbrauen, vor allem aber an den Ohren; an Knorpeln, die sich Septum und Tragus nennen. Dass sie sich 2004 einer Mandeloperation unterzog. Dass sie allergisch auf Pollen, Gräser und Bäume reagiert, und dass sie Halterin eines Chihuahuas ist, den sie Margaret (auch: Maggie) nennt, wie sie überhaupt allen Pflanzen und Erscheinungen ihrer Umgebung Namen gibt. Ein normaler Tag von Scarlett gehe so: «mit dem Hund spazieren, tanken und Sandwich essen in Cafés». Wenn sie den Blues hat, spaziert sie in den Central Park und schaut sich die Pinguine an. Versteckte Talente? «Das gibt es nicht. Ich bin eine Person, die sagt: Hey, schaut alle her, was ich kann!»

Im Allgemeinen tappen wir aber nur an der Oberfläche dieser samtenen Haut. Und was könnte uns und dieser Frau Besseres passieren? Sie ist ein Geheimnis; mal vermeinen wir in ihr die verschupfte, nerdige Nachbarin zu sehen, die wir spielend verführen könnten, dann wieder den Vamp, der uns auffrisst – wenn sie denn mag, was zugegeben unwahrscheinlich ist –, eine Projektionsfläche für allerhand ist sie auf jeden Fall. Und egal, was sie ist oder darstellt, wir glauben es ihr und sie weiss es: «Was auch immer du in einem Film in meinem Gesicht siehst, es ist genau, was ich fühle. Ich lüge nicht.»

Sieht man sich Interviews mit ihr im Fernsehen an, weiss man nicht recht, ob sie eher dumm oder eher gescheit ist oder weder noch; ob sie mit beidem nur kokettiert, wie mit möglichen Daseinsformen. Craig Ferguson sprach sie in seiner Late Night Show auf ihren Käse-Konsum an. Scarlett: «Ich esse keinen Käse mehr, aber ich bin gern unter Leuten, die Käse essen.» Das war so ein Scarlett-Johansson-Moment.

Gerne würde man sie nur als eine etwas tollpatschige Träumerin idealisieren, die ihr ganzes Weltwissen einzig aus diffusen Gedanken und Luft bezieht. Johansson zeigt sich aber auch als clevere Geschäftsfrau, die die assortiertesten Werbeverträge an Land zieht: Calvin Klein, Louis Vuitton, Reebok, Dolce & Gabbana, Moet & Chandon, Mango und L’Oreal. Und die Leute verklagt, die ihre Privatsphäre missachten.

Dieses Jahr den französischen Schriftsteller Grégoire Delacourt, der Johansson als Hommage – er habe es nur gut gemeint – in einen Roman verwurstete, und deshalb nun 50'000 Dollar Schadenersatz zahlen soll. Sie will alles im Griff haben, gemessen an ihrem Bekanntheitsgrad schafft sie es auch sehr erfolgreich, sehr wenig von sich preiszugeben.

Nie ein Kinderstar

Bis jetzt hatte sie erst einmal einen etwas heiklen Moment in der Öffentlichkeit. Ihr humanitäres Engagement für die Hilfsorganisation Oxfam kam in Konflikt mit ihrem seit Anfang 2014 gültigen Werbevertrag mit dem Haushaltgerätekonzern SodaStream. Das israelische Unternehmen produziert auch im seit 1967 von Israel besetzten Westjordanland. Oxfam seinerseits unterstützt Boykotte gegen Produkte aus dem israelischen Siedlungsgebiet. Was sie dazu bewog? Wollte sich Johansson, die selbst jüdische Wurzeln hat, nicht gegen Israel stellen oder schlichtweg nicht den für sie lukrativen Deal mit SodaStream gefährden? Man weiss es nicht. Johansson sprach von «fundamentalen Auffassungsunterschieden» mit Oxfam.

Mit drei hatte Scarlett Johansson eine Ahnung, Schauspielerin werden zu wollen – so geht die Fankunde. Mit acht besuchte sie das renommierte Lee Strasburg Institute, dazwischen hat sie sich als Vierjährige selber Lesen beigebracht, so die Scarlett-Lehre. Aber sie war nie ein Kinderstar, nie ein «Kevin allein zu haus», bei dem als Erwachsener alles schiefgeht und sich kein Mensch an seinen bürgerlichen Namen erinnern kann.

Die Eltern nannten sie Scarlett, in Anlehnung an Scarlett O’Hara aus dem Film «Vom Winde verweht». Am 22. November 1984 ist sie in New York geboren, am «Jahrestag der Ermordung von John F. Kennedy», was für amerikanische Medien stets wichtig ist zu erwähnen, drei Minuten vor ihrem Zwillingsbruder Hunter. Ihr Vater ist Däne, Architekt, ihre Mutter polnisch-jüdischer Abstammung.

Ihr Vorbild: Woody Allen

Lebensanschauliche Fragmente sind nur wenige überliefert: Sie unterstützte offen Barack Obama bei seinem Wahlkampf um das US-Präsidenten- Amt. In einem Spot singt sie für ihn auch «Yes We Can» mit ihrer heiseren Stimme, für die sie als Kind gehänselt worden sei, und mit der sie in «Her» einen ganzen Film getragen hat, ohne dass ihr Körper je erschienen wäre.

In Woody Allen sieht sie ihr grosses Vorbild, mit dem sie viel gemeinsam habe. Vielleicht einen Hang zur Hypochondrie, zur Neurose? Jedenfalls soll sie in ihrer Handtasche ständig eine Apotheke dabei haben, einen zweimaligen HIV-Test propagiert sie allen. Wer den Anspruch habe, ein anständiger Mensch zu sein, der sei sich dies schuldig.

Robert Redford, Filmpartner und Regisseur in «Der Pferdeflüsterer», meinte nach den Dreharbeiten zu Johansson: «Sie ist eine 13-Jährige mit der Seele einer 30-Jährigen.» Woher die Empathiefähigkeit rührt, die Johansson in ihren Rollen stets beweist, es bleibt ein Rätsel. Allzu viel erlebt haben wird sie noch nicht: Eine Kindheit, ein paar Filme, eine Ehe, zwei Verlobungen und eine Schwangerschaft – im August soll das Kind zur Welt kommen. Sie gehört zu den Menschen, über die man keine Autobiografie lesen möchte. Überhaupt: Warum sollten wir allzu intensiv wissen wollen, wer sie ist? Es ginge doch einzig zulasten des Geheimnisses.

Noch fehlt das ganz grosse Monument, der einzelne Film, der sie un­sterblich macht: «Lost in Translation» ist nahe dran. Luc Bessons «Lucy» in Locarno ist es bestimmt nicht, der Film wird sich in die gewöhnlichen Science-Fiction-Annalen einreihen, mit einer ungewöhnlich attraktiven Hauptdarstellerin. Viele Zuschauer werden den Film wieder vergessen, nicht aber Scarlett Johansson.

© Alle Rechte vorbehalten Tages-Anzeiger. Zur Verfügung gestellt von Tages-Anzeiger Archiv
NPR, 25.07.2014
© Alle Rechte vorbehalten NPR. Zur Verfügung gestellt von NPR Archiv
indiewire.com, 31.07.2014
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Luc Besson talks about Lucy
Andrew Pulver, Henry Barnes / The Guardian
en / 20.08.2014 / 3‘07‘‘

Analysis: Similaritires with other Movies
/ Mr Tea and a Movie
en / 03.02.2015 / 5‘17‘‘

Filmdateno

Genre
Action, Science Fiction
Länge
90 Min.
Originalsprache
Englisch
Bewertungen
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ØIhre Bewertung6.4/10
IMDB-User:
6.4 (544965)
Cinefile-User:
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KritikerInnen:
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Cast & Crewo

Scarlett JohanssonLucy
Morgan FreemanProfessor Norman
Choi Min-sikMr. Jang
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Luc Besson talks about Lucy
The Guardian, en , 3‘07‘‘
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Porträt Scarlett Johansson
Tages-Anzeiger / Benedict Neff
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