The Ice Storm
Ang Lee, USA, 1997o
Thanksgiving 1973 in einer Keinstadt in Connecticut: Der 16-jährige Paul kehrt für die Ferien vom Internat zurück und findet nichts mehr vor, wie es war. Seine Eltern haben soeben eine Paartherapie abgebrochen, der Vater hat eine Affäre mit der Nachbarin, seine jüngere Schwester landet im Bett eines Nachbarsjungen - niemand sagt es, doch alle sind überfordert. Der alltägliche Prozess des unheimlichen Wandels verdichtet sich in einer magisch- tragischen Nacht, in der die ganze Stadt für ein paar Stunden unter einem Eisregen vergletschtert.
Wie die Mitglieder einer kleinstädtischen amerikanischen Mittelstandsfamilie der frühen 1970er Jahre mit sexuellen Auf- und Ausbrüchen, Drogen und neureligiösen Strömungen experimentieren und dabei mit leiser Verstörtheit spüren, dass der Zusammenhalt schwindet, wenn alle sich mehr von den neuen Freiheiten nehmen: Angesiedelt 1973 und herausgekommen 1997, ist The Ice Storm der Film einer ganzen Generation. Indem er ein Vierteljahrhundert zurückblickte auf die Zeit der Miniröcke und Maxikragen, erfasste er mit einem genialen Verfremdungseffekt, was die neunziger Jahre und was uns bis heute beschäftigt: die Kehrseiten der allseitigen Liberalisierungen, das Schwinden hergebrachter Sicherheiten und Gewissheiten durch die beschleunigte Dynamik des Wandels. Er tat dies mit einer Genauigkeit und einem Gespür für jedes atmosphärische Detail, die umso erstaunlicher sind, als Ang Lee selbst erst 1975 von Taiwan in die USA einwanderte. Mitentscheidend für die Stimmungsdichte des Films ist die traumhaft harmonierende Besetzung. Ob staunend wie Toby Maguire, rotzig wie Christina Ricci, herb wie Sigourney Weaver oder melancholisch wie Joan Allen und Kevin Kline, alle erzählen sie vom Gefühl der Verlorenheit, das mit dem Pakt der Moderne einhergeht: mehr Handlungsspielraum um den Preis der Geborgenheit.
Andreas FurlerGalerieo








