Mulholland Drive
David Lynch, USA, Frankreich, 2001o
Die aspirierende Schauspielerin Betty ist soeben nach Los Angeles gezogen und kann fürs Erste in der Wohnung ihrer verreisten Tante wohnen. Dort trifft sie unvermutet auf eine geheimnisvolle Schöne, die sich nach einem Autounfall in den Hügeln von Hollywood an nichts erinnert, nicht einmal an ihren eigenen Namen. Die Unbekannte findet zig-Tausend Dollar in ihrer Handtasche und glaubt sich bedroht. Die beiden Frauen machen sich auf die Suche nach der Identität der gedächtnislosen und kommen sich dabei näher. Gleichzeitig geraten sie in einen Strudel seltsamer Ereignisse, der ihnen den Boden der Realität allmählich entzieht.
David Lynch ist der Regisseur des Unheimlichen. Seit seinem Erstling Eraserhead (1977) sind seine Figuren ständig bedroht von Gewalt und Tod. Das unheilmlichste Phänomen überhaupt – und das grösste Faszinosum – ist für Lynch aber die menschliche Psyche. Lynchs Filme haben deshalb die Logik von Träumen, mehr als jede physische Gewalt droht in ihnen der Wahnsinn. Mulholland Drive gehört in die Reihe von Lynchs Meisterwerken. Mit einer Suggestivkaraft, die ihresgleichen sucht, erzählt der Filmautor hier die Geschichte einer hoffnungsvollen Jungschauspielerin, die in den Hügeln von Hollywood auf eine geheimnisvolle Schöne mit Gedächtnisverlust trifft. Je unerschrockener die beiden Frauen das Rätsel hinter diesem Gedächtnis- und Identitätsverlust zu lösen suchen und je näher sie sich dabei kommen, desto mehr entzieht sich ihnen der Boden der Realität. Lynch und seine Crew inszenieren diesen Grenzgang mit einigen erzählerischen Kabinettstücken und stupendem Gefühl für Atmosphäre. Wie alle Grossen der siebten Kunst braucht Lynch äusserlich scheinbar wenig, um die Alltagswahrnehmung ausser Kraft zu setzen: doppelbödige Dialoge, eine herausragende Hauptdarstellerin (Naomi Watts), eiserne Konsequenz bei der Auswahl der Sets und der Farben, die Wahnsinnsmusik von Aneglo Badalamenti, schliesslich die phantastischen Bilder des Twin-Peaks-Kameramanns Peter Deming ... Anders gesagt: Es braucht für sowas sehr viel.
Andreas Furler