Zikaden
Ina Weisse, Deutschland, Frankreich, 2025o
Isabells Leben gerät durcheinander als sie erkennt, dass ihre Eltern nicht mehr alleine zurechtkommen. Während sie verzweifelt nach Pflegepersonal sucht, pendelt sie zwischen Berlin und dem Wochenendhaus ihrer Eltern. In dieser angespannten Situation trifft Isabell auf die rätselhafte Anja, eine alleinerziehende Mutter, die mit ihren eigenen Herausforderungen zu kämpfen hat. Als Anja und ihre kleine Tochter Greta zunehmend in Isabells Leben treten, entsteht eine unerwartete Bindung zwischen den beiden Frauen. Gleichzeitig beginnt Isabell, an dem Leben zu zweifeln, das sie bislang für sicher hielt. Ihre Ehe zeigt Risse, und das Gefühl, die Kontrolle über ihr Leben zu verlieren, wird immer stärker.
Auch im sogenannt realistischen Kino dominieren sanft geglättete Figuren so sehr, dass sie unwillkürlich leise Irritation einstellt, wenn sie sich für einmal so sprunghaft und widersprüchlich verhalten, wie wir es im Alltag tatsächlich oft tun. Die Architektentochter Isabell (Nina Hoss) etwa, die Protagonistin von Zikaden, ist äusserlich gut organisiert und effizient und rennt zwischen ihrem Maklerjob in Brandenburg, ihren pflegebedürftigen Eltern und ihrem egozentrischen französischen Mann (Vincent Macaigne) doch ziemlich konfus umher. Dieser lässt seine Frau gleich zum Auftakt wegen einer Lappalie am Flughafen stehen, um sich Wochen später mit einer wilden Mischung von Liebeserklärungen und Vorwürfen wieder bei ihr einzunisten. Ninas neue Bekanntschaft Anja schliesslich patzert sich als alleinerziehende Mutter mit Gelegenheitsjobs, ruppigen Anwandlungen und so vielen kleinen Lügen durchs Leben, dass man sich nie sicher ist, was stimmt und als nächstes kommt. Ina Weisses Studie dieser zögerlichen Annäherungen über die Klassen- und Geschlechterschranken hinweg ist deshalb ein Film voller Leerstellen und Sprünge. Das ist bisweilen anstrengend, weil man nicht weiss, worauf die deutsche Regisseurin wirklich hinauswill. Doch wer die Ungewissheit aushält, wird mit Wahrhaftigkeit belohnt.
Kerstin BlankGalerieo


