Baron noir
Ziad Doueiri, Antoine Chevrollier, Thomas Bourguignon, Frankreich, 2016-2020, 3 Staffelno
Philippe Rickwaert, sozialistischer Parlamentarier in Paris und volksnaher Bürgermeister der nordfranzösischen Stadt Dünkirchen, leert für den Präsidentschafts-Wahlkampf seines langjährigen Freunds Francis Laugier eine Gewerkschaftskasse. Laugier gewinnt, doch Rickwaerts List fliegt auf und Laugier lässt ihn fallen. Der Gefallene startet ein trickreiches Comeback, bei dem ihm seine gewiefteste Mitarbeiterin in der Stadtregierung und seine leidenschaftliche Liaison mit Laugiers engster Beraterin zugutekommt. Doch beim politischen Powerplay ritzt der charismatische Pragmatiker ständig die Grenzen der Legalität und verrät seine Ideale.
Filme und Serien stellen die Politik gern schwarzweiss dar: entweder als Schmutzgeschäft von skrupellosen Intriganten wie in House of Cards oder aber als heroischen Kampf kluger Idealisten wie in The West Wing oder Show Me a Hero. Die französische Politserie Baron noir ist so faszinierend, weil sie einen dritten Weg einschlägt. Ihr Held ist der hemdsärmelige sozialistische Parlamentarier Philippe Rickwaert, der am Anfang auch noch Bürgermeister von Dunkerque ist und deshalb die Sorgen seiner Wählerschaft im kriselnden nordfranzösischen Industrie- und Kohlegürtel bestens kennt. Rickwaert kämpft mit Herz, Mut und Schlauheit für seine Klientel, doch als enger Vertrauter des Präsidentschafts-Anwärters (Niels Arestrup in seiner letzten grossen Rolle) macht er auch krumme Touren, schiebt andern die Schuld zu, wird vom grossen Chef fallengelassen, verliert seine engste Verbündete, enttäuscht seine Tochter, stemmt seine Geliebte zur Parteichefin hoch… Kurz: Wir erleben politisches Handwerk, das Schmieden von Allianzen und Deals, das kaltblütige Taktieren unter der Dauerbeobachtung der Medien. Dabei fragen wir uns ständig, wie weit Rickwaerts Korrumpierung für und durch die Macht gehen wird. Der gebürtige Algerier Kad Merad, der vor bald zwanzig Jahren seinen grossen Durchbruch mit dem Komödienhit Bienvenu chez les Ch’tis hatte, stattet diesen Strippenzieher und Schattenbaron mit seinem ganzen Witz und Charme, Durchtriebenheit und Energie aus; genauso schillernd werden Rickwaerts Umfeld zwischen der grossen Pariser Bühne und seinen deklassierten Copains im Norden gezeichnet. Baron noir wurde von einem Autoren-, Produktions- und Regiequartett erschaffen, das der französischen Linken nahesteht, sie dank eigener Erfahrung mit dem Politbetrieb aber auf kritische Distanz zu halten und dramatisch zu nutzen weiss. Seine Held:innen sind alles andere als Heilige, im heutigen Umfeld aber erinnern sie wohltuend daran, dass sich Pragmatismus und Idealismus in der Politik nicht ausschliessen, sondern gegenseitig brauchen.
Andreas Furler