Dreams – Oslo Stories
Dag Johan Haugerud, Norwegen, 2024o
Die Teenagerin Johanne erlebt zum ersten Mal den Gefühlsturm der Verliebtheit, als sie ihrer neuen Französischlehrerin begegnet. Monate später konfrontiert sie ihre Grossmuter, dann auch ihre Mutter mit ihren Aufzeichnungen über diese Zeit. Was sollen und wollen die beiden glauben, wie sollen sie reagieren angesichts von Johannes freizügigen Schilderungen, die zudem auch literarische Qualität haben?
Die 17jährige Johanne verliebt sich Hals über Kopf in ihre neue Französischlehrerin und hält ihren Gefühlssturm in einem intimen Tagebuch fest, nachdem es ihr gelungen ist, die Angebetete für einige Zeit zu privaten Strickstunden in ihrer Wohnung zu treffen. Als sie ihre Aufzeichnungen der Grossmutter, einer Schriftstellerin, vorlegt, die sogleich auch Johannes Mutter einweiht, geraten die beiden älteren Frauen ins Grübeln: Wie viel an Johannes Bekenntnis ist wahr, wie sollen sie auf seine pikanten Details reagieren, wie mit seiner verblüffenden literarischen Qualität umgehen? Die Pointe dabei: Wir erfahren als Zuschauer:innen nur aus den Gesprächen der Frauen vom Überschwang und angeblichen erotischen Herzstück der Affäre, nachinszeniert werden nur deren zarten Anfänge und das bittersüsse Ende, schliesslich ein für die Protagonistin sehr viel wichtigeres Nachspiel. Dieses Kreisen um die Leerstelle legt der Norweger Dag Johan Haugerud als raffiniertes Spiel von Vor- und Rückverweisen mit Johannes Erzählstimme und elliptischen Inszenierungen an, die das Titelthema am Beispiel jeder Hauptfigur reflektieren: Sind Träume, Gedanken, Fantasien nur schale Kompensation ungelebten Lebens oder ein genuiner Teil davon – und dies mit durchaus handfesten Konsequenzen? Wie im letzten, hierzulande zuerst gezeigten Teil seiner Oslo-Trilogie, Love, gelingt es Haugerud zusammen mit einer starken Crew und Besetzung, derlei existenzielle Fragen in Alltagssituationen von entwaffnender Natürlichkeit und schlichter Schönheit zu packen. In Berlin wurde er dafür mit dem Goldenen Bären prämiert.
Andreas FurlerGalerieo




