Firebrand
Karim Aïnouz, GB, USA, 2024o
Catherine Parr ist die sechste Frau des despotischen englischen Königs Heinrich VIII und hat keine Garantie, die Ehe zu überleben, nachdem zwei ihrer Vorgängerinnen vertrieben und zwei geköpft worden sind. Dennoch unterstüzt sie heimlich die protestatischen Reformator:innen in ihrem Land und versucht dabei unter dem Radar des misstrauischen Tyrannen zu bleiben, der seine Herrschaft mit Verhaftungen, Folterungen und Hinrichtungen aufrecht erhält. Als der angezählte Koloss erkrankt, entwickelt sich die Ehe zu einem Wettlauf auf Leben und Tod.
Heinrich VIII (1491-1547) war eine der schillerndsten Königsfiguren der englischen Geschichte, wird aber meist bei den grossen Despoten eingereiht, weil er sich im Lauf seiner 38-jährigen Regentschaft vom humanistisch gebildeten Renaissancefürsten und Beau zum tyrannischen Koloss entwickelte und sechs Ehefrauen verschliess, von denen ihn nur die letzte, Catherine Parr, überlebte. Diese glühende Protestantin, gespielt von Alicia Vikander, ist die Heldin von Firebrand und wird zu Beginn des Films gleich als ziemlich kühn agierende Reformatorin eingeführt, die sich während eines Frankreich-Feldzugs des Königs zur protestantischen Rebellin Anne Askew davonstiehlt, welche ihrerseits als frühsozialistische Aufwieglerin erscheint und wenig später auf dem Scheiterhaufen endet. Wie weit solche Charakterisierungen den historischen Tatsachen entsprechen oder den Figuren als modernes Flair angedichtet werden, sei dahingestellt. Tatsache ist, dass Catherine nach der Rückkehr Heinrichs (eines bis zur Unkenntlichkeit aufgefetteten Jude Law) selbst um ihr Überleben zu kämpfen hat, woraus sich ein spannendes Spiel der politischen Allianzen und Schachzüge entwickelt. Ein Genuss für sich ist dabei die Kameraarbeit der Französin Hélène Louvart, die kürzlich schon La chimera ein düsteres Leuchten verlieh und die üppigen Sets wie Renaissance-Gemälde mit starken Hell-Dunkel-Effekten fotografiert. Auch Alicia Vikanders ätherische Schönheit und Ernsthaftigkeit kommen in diesem Kontext nach einer Reihe schwächerer Filme wieder zur Geltung. Ihre Schützlinge im Film sind übrigens nicht die eigenen Kinder, sondern jene von Heinrichs zweiter Exfrau Anne Boleyn (geköpft), darunter eine Prinzessin im Teenageralter, die zehn Jahre später als Elisabeth I den Thron besteigen und den zweifelhaften Ruhm ihres Vaters meilenweit hinter sich lassen sollte.
Andreas Furler