Dahomey
Mati Diop, Frankreich, Senegal, 2024o
November 2021. Sechsundzwanzig königliche Schätze aus Dahomey werden Paris verlassen, um in ihr Ursprungsland, Benin, zurückgeführt zu werden. Zusammen mit mehreren tausend anderen Werken wurden sie während der Invasion der französischen Kolonialtruppen im Jahr 1892 geplündert. Doch wie sollte man ihre Rückkehr in ein Land begrüssen, das sich erst aufbauen und mit ihrer Abwesenheit zurechtkommen musste? Während die Seele der Werke freigesetzt wird, tobt unter den Studenten der Universität Abomey Calavi eine Debatte.
Trotz kurzer Dauer von gerade mal 67 Minuten lässt sich die dokumentarische Form von Dahomey kaum als «dicht» bezeichnen. Gut die Hälfte dieser Zeit verwendet die französische Regisseurin Mati Diop (Atlantique) darauf, den Prozess einer Rückführung kolonialen Raubguts von Paris nach Benin abzubilden. Statuen von Göttern und Königen werden von desinteressierten Spediteuren in Holzkisten verpackt, während ein afrikanischer Wissenschaftler sicherstellt, dass die nötige Vorsicht gewahrt wird. Schlicht und äusserst wirkungsvoll wird jedoch über die Tonspur eine Erzählperspektive vermittelt, welche die scheinbar banalen Bilder mit einem Maximum an Affekt auflädt. Es ist jene einer Statue selbst, die aus ihrer über hundertjährigen Gefangenschaft in «tiefer undurchsichtiger Nacht» endlich «zurück an die Oberfläche der Zeit» kehrt. Weitere Erklärungen scheinen insofern unnötig, als es an der Richtigkeit des Vorgangs kaum Zweifel gibt: Koloniales Raubgut gehört zurück in die Ursprungsländer, jeder Einwand, dass dieses dort «schlechter» aufgehoben wäre, entspringt derselben kolonialen Haltung, mit der man den Raub einst rechtfertigte. So weit, so eindeutig. Der brillante, mit dem Goldenen Bären von Berlin honorierte Kunstgriff von Diop besteht darin, dass sie all das, was man als westliche:r Zuschauer:in «verstanden» zu haben glaubt, erneut all den Ambivalenzen aussetzt, die das Erbe des Kolonialismus mit sich bringt. In einer Diskussionsrunde, welche die zweite Hälfte des Films bildet, äussern junge Beniner:innen kluge, banale, unerwartete, offensichtliche, resignierte und kämpferische Gedanken zur Restitution. So wird deren wichtigster Zweck erst deutlich: die Eröffnung eines Diskurses darüber, was es bedeutet, wenn einem ganzen Volk «die Seele geraubt» wurde, und die Feststellung, von welch’ trauriger Lächerlichkeit das stolze Gebaren der Staatsmänner beider Seiten ist, die von über 7000 geraubten Werken jetzt deren 26 in die Heimat zurückgeführt haben.
Dominic Schmid