Brunaupark
Felix Hergert, Dominik Zietlow, Schweiz, 2024o
Ciccio ist mit seiner gleichnamigen Pizzeria die Seele des Quartiers. Elena lebt seit über 10 Jahren hier und mag den Zusammenhalt in der Nachbarschaft. Familie Stiess schätzt die idyllische Lage und Frau Müller den günstigen Mietzins. Sie alle sind Teil eines besonderen Mikrokosmos, dem Zürcher Brunaupark. Doch es stehen einschneidende Veränderungen an. Die Besitzerin, die Pensionskasse der Credit Suisse, plant einen Neubau und hat ihnen gekündigt. Hinter den Fenstern und Türen regt sich Widerstand.
Der Film setzt am Anfang vom Ende ein: «Neu gestalten» wolle man den Brunaupark, heisst es im freundlichen Brief, mit dem die Pensionskasse der Credit Suisse die Bewohner:innen der Wohnsiedlung in Zürich Wiedikon 2019 vor vollendete Tatsachen stellte. Dass die Kündigung, zu der man «gezwungen» sei, für die Menschen, die da teils schon über 40 Jahre leben, «unerfreulich» sei, sei der Pensionskasse «bewusst», weshalb es ihr «wichtig» sei, den Betroffenen genug Zeit für die «unkomplizierte» Suche nach neuem Wohnraum zu geben. – Zürich solle halt mehr Brücken bauen, unter denen dann all jene schlafen können, die mit den ständig steigenden Mieten nicht mehr mithalten, kommentiert eine Anwohnerin die Praxistauglichkeit dieses Plans trocken. Der über vier Jahre gedrehte Dokumentarfilm Brunaupark ist nicht zuletzt eine Studie über die unterschiedlichen Arten, mit denen sich etwas so Alltägliches wie eine Wohnsiedlung betrachten lässt. Am einen Ende des Spektrums ist der auf Ausnützungsziffern und Gewinnmaximierung bedachte Blick der Pensionskasse, in der Mitte jener der jung-dynamischen «Room Estate»-Kund:innen, die monateweise einzelne Zimmer zwischennutzen und recht erstaunt über die menschlich-nachbarschaftliche Stimmung sind, die sie in der Wohnsiedlung vorfinden. Und da ist der Blick der Filmemacher auf die Bewohner:innen, die nicht wissen, wie viel Zeit ihnen in ihrem Zuhause noch bleibt. Um seine Position macht der Film kein Geheimnis, zu seinem Vorteil geschieht diese aber nicht über Parolen oder die Dämonisierung der Gegenseite, sondern über sorgfältige Bildkompositionen. Sie heben all die skurrilen Gewohnheiten hervor, die der Brunaupark und seine Architektur im Lauf der Jahrzehnte bei der dort lebenden Gemeinschaft hervorgebracht haben. Dem Schnitt schliesslich gelingt es, dass eine unschuldig anmutende Reihe von Alltagsmomenten zum filmischen Manifest gegen den Maximierungszwang wird.
Dominic Schmid