Une affaire d'honneur
Vincent Perez, Frankreich, 2023o
Paris in den 1880er Jahren: Duelle zur Wiederherstellung der Ehre sind offiziell verboten, werden aber täglich praktiziert, aus Prestigegründen oder um unliebsame Konkurenten zu eliminieren. So ergeht es auch dem zwanzigjährigen Neffen eines angesehenen Fechtmeisters, der einen streitlustigen Offizier gekränkt hat. Als der Junge unterliegt, wird der Fechtmeister selbst in die Streitsache hineingezogen. Gleichzeitig unterrichtet er eine ebenso kecke wie verführerische Frühfeministin, die sich für Frauen in Hosen und politische Rechte stark macht und einen unverschämten Verleger zum Duell fordert.
Der 1962 geborene Lausanner Vincent Perez gehört zu den wenigen Schweizer Schauspielern, die eine grosse internationale Film- und Theaterkarriere gemacht haben. Ab den frühen 1990er Jahren war er etwa als Beau, romantischer Liebhaber und adliger Kämpe in Cyrano de Bergerac, Indochine und La reine Margot zu sehen. Weniger bekannt ist, dass Perez seit jener Zeit auch bisweilen Regie führt, und dies mit Talent und Geschmack, wie es sein ambitioniertes und aufwändiges Kostümdrama Une affaire d’honneur zeigt. Der Film spielt im Paris von 1887, wo Duelle zwar offiziell verboten sind, doch noch immer praktiziert werden, um Konkurrenten jeder Couleur aus dem Feld zu schlagen und dem fragwürdigen Begriff der Ehre Genüge zu tun. Frauen, versteht sich, waren in diesen oft tödlich endenden Hahnenkämpfen nicht vorgesehen; umso mehr machen sich Perez und seine Koautorin und Ehefrau Karine Silla ein Vergnügen daraus, die Duellgeschichte eines Fechtmeisters (Roschdy Zem), der contre coeur zum Lehrer und Rächer eines kämpferisch überforderten Neffen wird, mit jener eine historisch verbürgten Frühfeministin (Dora Tillier) zu verknüpfen, die nicht bloss für Frauen mit Degen und Hose eintrat, sondern auch für das Frauenstimmrecht und Lohngleichheit. Roschdy Zem verleiht seiner Rolle frei von Pomp das Gewicht, mit dem er schon in Les enfants des autres überzeugte, und Doria Tillier (La belle époque) lockert das Schaulaufen der männlichen Würdenträger mit Witz und Charme auf. Vor allem aber inszenieren Perez und seine erstklassige technische Crew die eskalierende Duelllogik in eindrücklichen Settings und einer gut austarierten Steigerungskurve, die vom Duell mit Degen und Pistolen bis zum Zweikampf mit Säbeln zu Pferd reicht, dabei aber nie zum Selbstzweck wird: spannend, zeitweise packend und jederzeit aufschlussreich.
Andreas Furler