Alle die Du bist
Michael Fetter Nathansky, Deutschland, Spanien, 2024o
Eine alleinerziehende Arbeiterin verliess vor vielen Jahren ihre brandenburgische Heimat, um im Braunkohlerevier in Nordrhein-Westfalen Arbeit zu finden. Dort verliebte sie sich unsterblich in einen Mann, der unter Panikattacken leidet. Anstelle der grossen Liebe trat aber allmählich die Routine und der Mann wird ihr immer mehr zum Fremden. Nun versucht sie, die alten Gefühle wieder aufleben zu lassen und neu zu definieren.
In einer Fabrik im Umfeld des schwindenden Braunkohleabbaus in Nordrhein-Westfalen lernt die schweigsame und widerborstige Arbeiterin Nadine (Aenne Schwarz) ihren Kollegen Paul (Carlo Ljubek) kennen: Zunächst verhält sie sich auch ihm gegenüber feindselig, doch sein mit Humor gepaarter Charme lässt eine Liebebeziehung entstehen. Viele Jahre und zwei gemeinsame Töchter später ist das Paar zwar immer noch zusammen, doch sie stellt ihm die ehrliche Frage: Warum liebe ich dich nicht mehr? Nicht nur Alltagsroutine, wohl auch der dauernde gemeinschaftliche Arbeitskampf, dass dauernde Sich-gegenseitig-Vertrösten hat das anfängliche Prickeln schal werden lassen. Der deutsche Regisseur Michael Fetter Nathansky verschränkt nach eigenem Drehbuch die Arbeits- und Beziehungswelten gekonnt und setzt dabei auf wunderbare halbdunkle Bildkompositionen, die zum Milieu passen. Überraschend und eigentümlich, dass der Realismus öfters auch "magisch" wird: Paul nimmt dann je nach Charaktereigenschaft die Gestalt eines Kindes, eines Jugendlichen, einer älteren Frau oder sogar eines Rinds an. Die beständige Unnahbarkeit Nadines und die Redundanz mancher psychologischer Konstellationen bringt dennoch eine gewisse Statik ins Geschehen ein, die bisweilen bemühend wird.
Till Brockmann