Reas
Lola Arias, Argentinien, Deutschland, Schweiz, 2024o
Yoselis Rücken ziert ein Tattoo des Eiffelturms. Sie träumt davon, nach Paris zu reisen, doch am Flughafen wird sie wegen Drogenhandels verhaftet. Nacho ist ein trans Mann, der nach einem Betrug im Gefängnis landet, wo er eine Rockband gründet. Und Noelia will einfach nicht wieder auf der Strasse landen. Ob sanftmütig oder tough, blond oder rasiert, cis oder trans, seit kurzem oder langem inhaftiert: alle spielen sie in diesem knallbunten Musical ihr Leben im Frauengefängnis von Buenos Aires nach.
Die 1976 geborene Argentinierin Lola Arias hat sich in der internationalen Theater- und Kunstszene einen Namen mit stilisierten Dramatisierungen von dokumentarischem Material gemacht, so etwa bei der Darstellung von Kriegstraumata mit echten Falkland-Veteranen. In Reas überträgt sie dieses Verfahren auf das Frauengefängnis Ezeiza ausserhalb von Buenos Aires. Neun ehemalige Insassinnen und einige Wärterinnen spielen ihre Erlebnisse in einem stillgelegten anderen Gefängnis nach und nutzen dabei auch Tanz und Gesang. Das Resultat ist eine berückende Mischung von Authentizität und Künstlichkeit, das den Protagonistinnen eine eigentümliche Grandezza verleiht: Jede ist da eine kleine Königin, wenn die Frauen (unter ihnen auch ein umwerfender Transmann) posierend, singend oder tanzend vermitteln, wie ihnen das Leben mitgespielt hat – und wie sie ihm getrotzt haben. Mitentscheidend für die ästhetische Wucht dieses "Empowerments", bei dem die Protagonistinnen die Souveränität über ihre Biographie zurückerobern, sind das Dekor, das nur klug gewählte Realitätsschnipsel und Farben variiert, sowie Martin Benchimols Kameraarbeit voller symmetrischer Anordnungen. Es ist, als sehe man der Realität bei ihrer Fiktionalisierung zu: genuin magischer Realismus.
Andreas FurlerGalerieo





