Only the River Flows
Wei Shujun, China, 2023o
In China werden in den 1990er Jahren in der Kleinstadt Banpo drei Morde begangen. Ma Zhe, der Leiter der Kriminalpolizei, wird mit der Aufklärung des Falls beauftragt. Eine am Flussufer zurückgelassene Handtasche und die Aussagen von Passanten weisen auf mehrere Verdächtige hin. Während der Fall ins Stocken gerät, wird Inspektor Ma mit der Düsternis der menschlichen Seele konfrontiert und gerät immer tiefer in Zweifel.
Der 1991 geborene chinesische Filmemacher Wei Shujun dreht in zwanghaftem Rhythmus. Mit gut 30 Jahren blickt er bereits auf fünf Spielfilme zurück, von denen drei in Cannes gezeigt wurden und die beiden letzten noch auf ihre Kinopremiere warten. Only the River Flows, ein melancholischer Film noir, ist das erste seiner Werke, das einen Schweizer Verleih gefunden hat. Der Mitte der 1990er Jahre angesiedelte Krimi konfrontiert einen jungen Inspektor und werdenden Vater mit einer Reihe von mysteriösen Morden in einer Provinzstadt. Jede Spur erweist sich als falsche Fährte, je weiter die Ermittlungen voranschreiten, desto mehr gerät der Fall ins Stocken, und schon bald wird der Polizist von seinen Vorgesetzten unter Druck gesetzt, die Ermittlungen abzuschliessen. Während dieser Suche nach Beweisen, bei der jeder verdächtig und niemand schuldig ist, verschwimmt die Grenze zwischen der Realität und Träumen, Halluzinationen, Fantasien, und der Wahnsinn droht dem überarbeiteten Ma Zhe erst recht, als er erfährt, dass sein Kind behindert geboren werden könnte. Die verschobene Wahrnehmung ist bereits in der Eröffnung des Films angelegt, in der ein verlassenes Kino zum Hauptquartier des Inspektors und seines Teams umfunktioniert wird – eine Szene, darauf hinweist, dass die Ermittlungen nicht auf dem Boden der Realität stattfinden, sondern in jenem geheimnisvollen Paralleluniversum, in das die bewegten Bilder mit ihren im Dunkeln spukenden Gespenstern führen. Die letzte Szene, in der Ma Zhe in einem Klima der moralischen Ambiguität befördert wird, weckt Erinnerungen an das Finale von Herzogs Bad Lieutenant oder Hansons L.A. Confidential, ein Kniff des jungen chinesischen Filmemachers, sein Werk in die Reihe der ganz Grossen zu stellen. Dank der Intelligenz seiner Inszenierung und der frühen Reife seines Stils könnte er demnächst in deren Liga spielen.
Émilien GürGalerieo





