Bonnard, Pierre et Marthe
Martin Provost, Belgien, Frankreich, 2024o
Pierre Bonnard wäre nicht der Maler, den man kennt, ohne die rätselhafte Marthe, die mehr als ein Drittel seiner Werke einnimmt. Maria Boursin alias Marthe de Méligny gab sich an dem Tag, an dem sie sich Hals über Kopf ineinander verliebten, als ruinierte italienische Aristokratin aus. Sie wusste noch nicht, dass sie die tragende Säule eines gigantischen Werkes werden sollte, das heute als eines der bedeutendsten Werke des frühen 20 Jahrhunderts gilt.
Wie es der Titel schon andeutet, geht es in diesem Spielfilm nicht nur um den berühmten postimpressionistischen Maler Pierre Bonnard (1867–1947), sondern auch um seine Geliebte, Muse und langjährige Lebensgefährtin Marthe – die zeitweilig ebenfalls als Malerin tätig war und spät noch Bonnards Ehefrau wurde. Auch das stimmt allerdings nicht ganz: Der Film dreht sich vor allem um sie. Sie ist die zentrale Figur, die dramaturgisch nicht bloss als Inspirationsquelle seines Werkes aufgebaut wird, sondern als farbige und auch widersprüchliche Pesönlichkeit ein starkes Eigenleben bekommt. Und das gelingt Martin Provost sogar, ohne ihr ein forciertes (und zeitgenössisches) feministisches Antlitz zu verpassen. Provost hat mit Seraphine 2008 bereits eine Filmbiografie über eine Malerin gedreht, die sieben Césars bekam. Mit Bonnard, Pierre et Marthe legt er einen berührenden Liebesfilm vor, auch wenn es Cécile de France und Vincent Macaigne schauspielerisch nicht in jeder Szene gelingt, das komplexe Innenleben ihrer Figuren transparent zu machen.
Till Brockmann