L’été dernier
Catherine Breillat, Frankreich, Norwegen, 2023o
Anne, eine brillante Anwältin, lebt mit ihrem Mann Pierre und ihren Töchtern zusammen. Anne lässt sich nach und nach auf eine leidenschaftliche Beziehung mit Theo, Pierres Sohn aus einer früheren Ehe, ein und bringt damit ihre Karriere und ihr Familienleben in Gefahr.
Seit zehn Jahren hat Catherine Breillat keinen Spielfilm mehr gedreht, doch nun steht sie wieder im cinephilen Rampenlicht, und das aus gutem Grund: Die Regisseurin von Romance und A ma soeur! ist bekannt dafür, dass sie die Lust ohne Scheuklappen filmt. Ihr neues Werk, das von den turbulenten Liebschaften einer Anwältin mittleren Alters und ihres minderjährigen Stiefsohns erzählt, bestätigt dies nachdrücklich. In dieser Rückkehr zur grossen Form (über die kleine Form des bürgerlichen Melodramas) besticht Breillat durch ihre ebenso direkte wie schlichte Art, das Begehren in seinen unbändigsten Ausdrucksformen – Haut, die sich berührt, Körper, die sich suchen und finden – jenseits aller Tabus einzufangen. Und sie offenbart, dass ihr Kino vielleicht weniger von der Lust an der Grenzüberschreitung als von der Suche nach Emotionen getrieben wird. Sie werden hier in frontalen Nahaufnahmen eingefangen, denen Léa Drucker ihr Gesicht schenkt. Mit einem Wort: wunderbar.
Emilien Gür