Oppenheimer
Christopher Nolan, USA, GB, 2023o
Dem amerikanischen Physiker Robert Oppenheimer wird während dem Zweiten Weltkrieg die wissenschaftliche Leitung des "Manhattan-Projekts" übertragen: In der Wüste von New Mexico soll er mit einer geheimen Wissenschaflter-Gemeinde im Wettlauf mit den Nazis und den russischen Alliierten die erste Amtombombe bauen. Als Oppenheimer sieht, was die Bombe in den letzten Kriegstagen in Hiroshima und Nagasaki noch anrichtet, beginnt er umzudenken. Unter den neuen Vorzeichen des kalten Krieges wird ihm darauf aus seinem Liebäugeln mit dem Kommunismus am Anfang seiner Karriere der Strick gedreht. Wird er sich wehren? Und wird er je rehabilitiert?
Der Physiker J. Robert Oppenheimer war der Leiter der 2000-köpfigen Wissenschafltergemeinde, die in der Wüste von New Mexico von 1942 bis 1945 die erste Atombombe baute. Dieser Wettlauf gegen die Vernichtungsmaschinerie der Nazis ist dramatisch und visuell eigentlich ein spröder Stoff: ein Haufen Nerds, die mathematische Formeln an Wandtafeln kritzeln und aufgeregt über Details der Quantenphysik diskutieren, die ausser ihnen kein Mensch versteht. Der Brite Roland Joffe hatte 1989 bei Fat Man and Little Boy schon seine liebe Mühe mit dieser Vorgabe. Sein Landsmann Christopher Nolan, Regisseur dreier Batman-Filme und bekannt für spektakuläre Erzählrätsel wie Memento oder Inception, löst das Problem mit einer doppelten Dramatisierung: Hier die Kernhandlung über das Ringen um eine explosive und dennoch kontrollierbare Atomspaltung, die mit einigem optischen und musikalischen Brimborium zum prometheischen Frevel und Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit stilisiert wird. Da eine epische Rahmenhandlung, die Oppenheimers fulminante Frühkarriere, sein damaliges Liebäugeln mit dem Kommunismus (primär in weiblicher Form), seine politische Diskreditierung in den fünfziger Jahren und seine Rehabilitierung in den Sechzigern darstellt. Die Kernhandlung fokussiert logischerweise auf die menschlichen Konflitke und funktioniert dank durchwegs phantastischer Besetzung – allen voran der Peaky-Blinders-Star Cillian Murphy in der Titelrolle und ein ungewöhnlich kontrollierter Robert Downey Jr. als intriganter Strippenzieher –, obschon viele Nebenfiguren nebulös bleiben. Bei der Rahmenhandlung verpasst es Nolan fast gänzlich, die epischen Wortgefechte mit dem historischen Kontext der Weltwirtschaftskrise und des Kalten Krieges zu unterfüttern, welche die linke und die rechte Vehemenz erst wirklich nachvollziehbar machen. Wer mit diesem Kontext nicht vertraut ist, liest vor dem Kinobesuch mit Vorteil den Wikipedia-Eintrag über Oppenheimer statt dem PR-Geraune über Nolans übliches Aufhebens ums Filmformat (diesmal sündhaft teures 65-mm-IMAX-Material). Letzterer hat auf das Filmerlebnis keinen erkennbaren Einfluss, der Hintergrund hingegen macht den ambitionierte Dreistünder zu einer spannenden Sache.
Andreas Furler