Women Talking
Sarah Polley, USA, 2022o
Von aussen sieht die abgelegene, religiöse Gemeinschaft Molotschna friedlich aus. Eine kleine Gruppe aus Familien lebt gemeinsam auf dem Bauerngut, alle tragen traditionelle Kleidung und moderne Technologie ist nirgends zu sehen. Doch unter dem Mantel der Ruhe verbirgt sich schreckliche Gewalt. Als die Frauen der Kolonie herausfinden, dass sie regelmässig von ihren Männern betäubt und vergewaltigt werden, müssen sie sich entscheiden: Sollen sie nichts tun, die Kolonie verlassen oder bleiben und kämpfen?
Soeben mit dem Oscar für das beste adaptierte Drehbuch gekürt, ist dies definitiv der intelligenteste und schönstinszenierte Spielfilm zu Me-too-Debatte der Stunde. Nach dem 2018 erschienenen, gleichnamigen Roman der kanadischen Autorin Miriam Toews erzählt ihre Landsfrau Sarah Polley von einer der mennonitischen Gemeinschaften im ländlichen Amerika, die sich bis in die heutige Zeit der Moderne verweigern und ein gottesfürchtiges Leben mit Gerätschaften und Rollenverteilungen wie im frühen 19. Jahrhundert führen. Im vorliegenden Fall allerdings haben sich die Frauen gegen die regelmässigen sexuellen Übergriffe Ihrer Männer, Brüder und Väter zu wehren begonnen und einen inflagranti erwischten sowie etliche angebliche Angreifer in Polizeigewahrsam überführt. Nun stehen die Frauen unter dem Druck der Männer, den Tätern zu vergeben oder die Gemeinschaft zu verlassen – und halten Aussprache über ihr weiteres Vorgehen in einer Scheune. Die resutierende Debatte wird so vielschichtig wie clever geführt – auch wenn sich eine didaktische Note kaum aus der Welt reden lässt. Eigentümlich zudem die Theatralik, in die selbst herausragende Darstellerinnen wie Claire Foy, Frances McDormand und Rooney Mara in diesem Setting öfters verfallen. Die kleinen Irritationen allerdings werden spielend wettgemacht durch eine phänomenale Kamerarbeit und – wie gesagt – Wortgefechte auf Schwindel erregendem Niveau.
Andreas FurlerGalerieo
