Polish Prayers
Hanna Nobis, Polen, Schweiz, 2022o
Antek, 22, wächst in einer tief religiösen und rechtsradikalen Familie im heutigen Polen auf. Katholizismus, Nationalismus und vor allem das Zölibat bestimmen seine Welt. Hanka Nobis begleitet ihn und gleichgesinnte junge Männer von der «Bruderschaft» über mehrere Jahre. Anfänglich führt Antek die Bruderschaft in Überlebenscamps und bei Anti-Pride-Demonstrationen an. Doch bald ist er neugierig auf diese queere Welt, und vor allem auf die Frauen in ihr.
Über vier Jahre hat die junge polnische Dokumentarfilmmacherin Hanka Nobis mit ihrer Kamera den ebenfalls noch jungen Antek immer wieder aufgesucht. Zu Beginn ist der erzkonservative Jungkatholik mit seiner Bruderschaft im Wald, schnitzt Kruzifixe in Baumrinden, übt Folkloretänze und sinniert mit seinen Gleichgesinnten über die polnische Gesellschaft und deren Feinde: Linke, Schwule, Pädophile. Die Begriffe scheinen in diesen Kreisen beliebig austauschbar. Dann aber setzen bei Antek ungeahnte Metamorphosen ein, die man – kämen sie in einem Spielfilm vor – als ziemlich unglaubwürdig und überzeichnet einstufen würde. Wieder einmal erweist sich somit die Realität als schräger denn alle Fiktion. Nobis' spannender, frech geschnittener und auch amüsanter Erstling ist bereits an etlichen Festivals ausgezeichnet worden und hat kürzlich auch den Zürcher Filmpreis in der Sparte Regie gewonnen. Er wurde nämlich gänzlich mit privaten und öffentlichen Geldern aus der Schweiz finanziert, sehr gut angelegtem Geld.
Till Brockmann