Un petit frère
Léonor Serraille, Frankreich, 2022o
Ende der 1980er Jahre verlassen Rose und ihre Söhne die Elfenbeinküste und ziehen in einen Pariser Vorort. Die mutige und lebhafte Frau ist fest entschlossen, ihren Kindern ein besseres Leben zu bieten. Über drei Jahrzehnte zeigt der Film, wie die Familie, konfrontiert mit der harten Realität als Immigrant:innen in Frankreich, sowohl zusammenwächst, als auch auseinander zu brechen droht.
Ende Achtzigerjahre kommt die junge Mutter(-Courage) Rose mit ihren zwei Söhnen von der Elfenbeinküste nach Paris. Sie wohnt zunächst bei afrikanischen Freunden und arbeitet als Putzfrau in einem Hotel, um die Familie durchzubringen. Die Werte, die sie ihren Kindern mitgibt, sind einfach: Ehrgeiz und Fleiss, doch genauso wichtig und weitaus schwieriger, das Streben nach Glück. Ungewöhnlich und erfrischend an diesem Familienmelodram, das sich über zwanzig Jahre zieht, ist dies: Natürlich sind Hautfarbe, Roses Vergangenheit und soziale Ungerechtigkeit ein Thema. Dennoch sind wir weit vom anklagenden «message picture» entfernt (wie etwa Tori et Lokita der Dardenne-Brüder). Rose hat ebenso mit den konservativen Vorstellungen der Elfenbein-Diaspora in Frankreich und mit ihrem pubertierenden älteren Sohn kämpfen, und sie leidet unter unzuverlässigen, egoistischen Männern jedwelcher Hautfarbe und sozialer Herkunft. Dass die Geschichte von vielen Schattierungen lebt und nicht von herbeigezerrten dramatischen Spitzen, macht Un petit frère besonders glaubhaft.
Till Brockmann