Erica Jong - Breaking the Wall
Kaspar Kasics, Schweiz, 2022o
Erica Jongs erster Roman «Fear of Flying» war 1973 für viele Frauen ein Aufbruch in die Selbstbestimmung. Für das puritanische Amerika Jongs offener Umgang mit ihren Bedürfnissen, ihren Frustrationen und mit ihrer Sexualität ein Tabubruch, ebenso die schonungslose Zeichnung ihrer Männer und ihrer eigenen Person. Der Schweizer Dokumentarfilmer Kaspar Kasics besucht die Bestsellerautorin und ihren Mann in ihrer New Yorker Wohnung und in ihrem Landhaus und beleitet die feministische Ikone in ihre zweite Wahlheimat Venedig. Dabei entdeckt er in der knapp 80-Jährigen eine quicklebendige Zeitzeugin und im alternden Paar zwei grosse Liebende voller gegenseitiger Nachsicht.
Die amerikanische Bestseller-Autorin und feministische 70ies-Ikone Erica Jong ist auch mit bald achtzig Jahren noch eine höchst einnehmende, hochberedete New Yorker Grande Dame, ihr vierter Ehemann, ein Scheidungsanwalt mit Parkinson, steht ihr an Liebenswürdigkeit und feiner Ironie nicht nach. Der Schweizer Dokumentarfilm-Regisseur Kaspar Kascis und seine erstklassigen Kameraleute begleiten das Paar und seine zwei Pudel von ihrer New Yorker Penthouse-Wohnung mit phänomenalem Blick in ihr Landhaus in den Wäldern von Connecticut, sodann La Jong solo in ihre europäische Wahlheimat Venedig. Dabei spielt der Regisseur leichthändg mit seinem aktuellen und historischen Material, darunter faszinierende Aufnahmen des menschenleeren Manhattan im Corona-Lockdown. Was so entsteht, ist eine vergnügliche Tour d’horizon undogmatischen feministischen Denkens und Handelns aus fünf Jahrzehnten: ein Must für literarisch und gesellschaftsgeschichtlich Interessierte und nebenbei ein wunderbarer Film über ein alterndes Paar, das sich nichts mehr beweisen muss und gegenseitig leben lässt.
Andreas Furler