Les jeunes amants
Carine Tardieu, Frankreich, Belgien, 2022o
Eigentlich hat die pensionierte Architektin Shauna mit 70 einen Schlusstrich unter die Idee der romantische Liebe gezogen. Doch ihr unverhofftes Wiedersehen mit Pierre, einem 45-jährigen Arzt, ändert alles. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf. Nur: Pierre hat Familie, und zwischen den beiden liegen nicht nur 25 Jahre, sondern auch Shaunas Parkinson-Diagnose. Dennoch würde Pierre allles aufgeben für Shauna.
Eine Pariser Architektin und ein 25 Jahre jüngerer, glücklich verheirateter Arzt und Familienvater lernen sich im Spital kennen. 15 Jahre später begegnen sie sich wieder und verlieben sich, gegen jede Vernunft. Das sind eigentlich lauter Ingredienzien für ein klassisches Melodrama: Eine späte Liebe, eigentlich unmöglich wegen der familiären Konstellation, der Altersunterschied, schliesslich eine Erkrankung. Die Französin Carine Tardieu verwandelt die Vorlage der 2015 verstorbenen Drehbuchautorin Sólveig Anspach jedoch in eine realistische und zurückhaltende Erzählung. Die starken Gefühle werden sorgfältig entwickelt, die betrogene Ehefrau und das Umfeld des Paars genauso ernst genommen und niemand abgewertet. Fanny Ardant wiederum verkörpert die Selbstzweifel einer Frau, die sich mit 70 nochmals heftig verliebt, mit gebändigter Intensität. Dasselbe gilt für Melvil Poupaud, der ein ebenso kompliziertes Gefühlsgemisch zu vermitteln weiss.
Kathrin Halter