Dilemma
Edmund Heuberger, Schweiz, 1940o
Die 17-jährige Edith feiert bei ihrer Freundin in Zürich und wird vom skrupellosen Verführer Jean in einen Nachtclub geschleppt, betrunken gemacht und missbraucht. Als sie schwanger wird, bittet sie ihren Vater, der Frauenarzt ist, eine Abtreibung vorzunehmen. Dieser weigert sich zuerst, nimmt den Eingriff aber schliesslich vor – mit fatalen Folgen.
Der Zürcher Stefan Markus kehrte nach 16 Jahren als Drehbuchautor und Produzent in Paris Ende der 30er-Jahre heim und gründete die Gotthard-Film GmbH. Für die Inszenierung seines Stoffs zum Skandalthema Abtreibung verpflichtete er den Auslandschweizer Edmund Heuberger. Lukas Ammann verkörperte nicht nur den schmierigen Verführer Sternen, sondern überwachte auch die Dialektdialoge; Maria Becker gab in einer (englischsprachigen) Nebenrolle ihr Leinwanddebüt. Obschon der Film keineswegs Partei für die Abtreibung ergreift (auch wenn er die gesellschaftliche Ächtung lediger Mütter anprangert), wurde Dilemma von der katholischen Presse verteufelt. Das dürfte zu seinem Erfolg beim Publikum beigetragen haben, ebenso wie das zeitweilige Verbot des Films in Luzern und Genf. Die Militärzensur verlangte, dass «der Ort der Handlung anonym bleibe», und liess einen Anfangsschwenk über das dennoch unschwer erkennbare Zürich entfernen.
Michel BodmerIn seiner Behandlung des Themas ungewollte Schwangerschaft wirkt dieser Film aus 1940 erstaunlich modern: ein Eindruck, der durch die eleganten Bilder einer pulsierenden urbanen Schweiz verstärkt wird. Die Geschichte – die als leichtfüssiges Sittengemälde beginnt, zunehmend melodramatische Züge annimmt und etwas überraschend als Gerichtsdrama endet – bleibt fesselnd, trotz kleiner Holprigkeiten bei Dialog und Schauspielführung. Obwohl der Film nicht explizit für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch einsteht, schildert er die Problematik durchaus vielseitig, so dass auch aus heutiger Sicht viel Sympathie für die emotionale, soziale und finanzielle Notlage der Frauen herauszulesen ist.
Marcy Goldberg